Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Schiedsverfahren gemäß § 132a SGB 5. Feststellung einer Zahlungspflicht ohne zugrundeliegenden Vertrag oder Ergänzung eines Vertrags kein zulässiger Regelungsinhalt. Zulässigkeit des Abschlusses eines rückwirkenden Versorgungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Die Feststellung einer Zahlungspflicht ohne zugrundeliegenden Vertrag oder Ergänzung eines Vertrags ist kein zulässiger Regelungsinhalt eines Schiedsspruchs nach § 132a Abs 2 SGB V (in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung, seither § 132a Abs 4 SGB V). Fehlt die Regelung grundsätzlicher Fragen - ist also nicht nur eine Vertragsergänzung erforderlich - muss Gegenstand der Verträge nach § 132a Abs 2 S 1 SGB V aF notwendigerweise mehr als nur die Festlegung von Einzelheiten sein. Gegen den rückwirkenden Abschluss eines Versorgungsvertrags bestehen keine Bedenken.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.07.2022; Aktenzeichen B 3 KR 1/22 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.06.2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 20.396,25 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Unwirksamkeit eines Schiedsspruchs im Bereich der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), mit dem die Vergütung wegen Dauerbeatmung einer Versicherten der Klägerin festgesetzt wurde, streitig.

Die Beklagte ist Mitglied im Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. und betreibt im Landkreis E eine vollstationäre Pflegeeinrichtung in K. Hierbei handelt es sich um eine zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinne von § 43 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zu den Leistungen zählen unter anderem palliative Leistungen und Beatmungsleistungen. Im Zeitraum vom 24.08.2011 bis 09.05.2012 befand sich nach einer Krankenhausbehandlung aufgrund Einweisung durch den Sozialen Dienst des Landkreises die bei der Klägerin Versicherte M (im Folgenden: Versicherte) in vollstationärer Pflege (Pflegestufe II) bei der Beklagten. Aufgrund ärztlicher Verordnungen erhielt die Versicherte bei der Beklagten ab 25.08.2011 eine 24-stündige Dauerbeatmung im Rahmen häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V. Hierzu wurde täglich ein von den Pflegedienstleistenden unterschriebenes Beatmungskontrollblatt mit medizinischen und behandlungstechnischen Angaben gefertigt. Am 09.05.2012 verstarb die Versicherte. Eine schriftliche Genehmigung der zusätzlichen Leistungen durch die Klägerin erfolgte nicht. Vertragliche Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten bestanden während der Leistungserbringung keine.

Mit Schreiben vom 27.10.2011 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, vertragliche Regelungen mit dem vdek anzustreben, um die zusätzlichen Leistungen vergüten zu können. Zu einer Vereinbarung mit dem vdek kam es nicht, weil dieser den Vorhalt einer speziellen Beatmungsstation zur Bedingung machte. Die von der Beklagten angestrebte vertragliche Einzelfallregelung mit der Klägerin lehnte diese ab (zum Ganzen siehe SG-Akte S 16 KR 3801/14).

Für die im Rahmen der Dauerbeatmung erbrachten Leistungen berechnete die Beklagte pro Tag 82,00 € als „Mehraufwand im vollstationären Bereich“ (Rechnungen vom 02.02.2012, 16.02.2012, 01.03.2012, 01.04.2012 und 01.06.2012). Entsprechende Zahlungsaufforderungen der Beklagten i.H.v. insgesamt 21.238,00 € blieben in der Folge erfolglos.

Am 11.02.2014 erwirkte die Beklagte beim Amtsgericht Stuttgart einen Mahnbescheid gegen die Klägerin in Höhe von 21.450,50 €. Nachdem die Klägerin Widerspruch eingelegt hatte, wurde das Verfahren an das Landgericht Stuttgart abgegeben und von dort an das Sozialgericht Stuttgart (SG) verwiesen (Az. S 16 KR 3801/14). Im Termin zur Erörterung der Rechts- und Sachlage am 24.11.2014 erklärte sich die Klägerin bereit, mit der Beklagten Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Versorgungsvertrages zu führen. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.

Mit Schreiben vom 18.09.2015 beantragte die Beklagte bei der Schiedsperson (Z) im Rahmen eines Schiedsverfahrens gemäß § 132a SGB V - wegen der Versorgung der Versicherten -, gegenüber der Klägerin eine zusätzliche Pflegevergütung i.H.v. 21.238,00 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.05.2012 festzusetzen. Zur Begründung gab die Beklagte an, die Klägerin verweigere zu Unrecht den Abschluss eines Vertrags über die Versorgung ihrer Versicherten mit Dauerbeatmung, indem sie von ihr (der Beklagten) den Nachweis einer separaten Beatmungsstation fordere. Eine solche Station könne nur dann wirtschaftlich betrieben werden, wenn die Krankenkassen sie regelmäßig mit dauerzubeatmenden Versicherten belege, was nicht der Fall sei. Die Versicherte habe aufgrund der Dauerbeatmung täglich mindestens 5 Stunden zusätzlich versorgt werden müssen, was Lohn-...

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