Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Nichteinigung über Versorgungsvertrag mit Betreiber einer vollstationären Pflegeeinrichtung. fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für allgemeine Leistungsklage aufgrund des Schiedsverfahrens nach § 132a SGB 5. Festlegung der Vertragsinhalte durch unabhängige Schiedsperson. lediglich nachfolgende Befugnis der Sozialgerichte zur Ersetzung der Vertragsinhalte nach billigem Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

Im Fall einer Nichteinigung über einen Versorgungsvertrag sieht § 132a Abs 2 S 6 SGB V (in der bis 31.12.2016 geltenden Fassung, seither § 132a Abs 4 S 9 SGB V) einen Konfliktmechanismus (Einleitung eines Schiedsverfahrens) vor. Das von dem Betreiber einer vollstationären Pflegeeinrichtung angestrebte Ergebnis kann damit auf einfachere Weise erreicht werden. Eine Klage, die (ohne Schiedsspruch) direkt darauf abzielt, die Krankenkasse zum Abschluss eines Vertrags mit einem konkreten Inhalt zu verurteilen kann von vornherein nicht zum Erfolg führen, weil die Sozialgerichte nur befugt sind, im Wege einer Ersetzungsklage die Vertragsinhalte (nach billigem Ermessen) festzulegen.

 

Orientierungssatz

Für eine direkt auf Abschluss eines Versorgungsvertrages gerichtete allgemeine Leistungsklage fehlt es daher am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.07.2022; Aktenzeichen B 3 KR 2/22 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.05.2019 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 27.06.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 9.790,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Die Klägerin ist Mitglied im Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. und betreibt in K im Landkreis E eine vollstationäre Pflegeeinrichtung. Hierbei handelt es sich um eine zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinne von § 43 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zu den Leistungen zählen unter anderem palliative Leistungen und Beatmungsleistungen. Eine vertragliche Beziehung gem. § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Erbringung häuslicher Krankenpflege bestand im streitgegenständlichen Zeitraum zwischen den Beteiligten nicht.

Der 1943 geborene Versicherte der Beklagten W (im Folgenden: der Versicherte) lebte vom 04.07.2012 bis zu seinem Todestag am 24.10.2012 im Haus der Klägerin. Er erhielt seit Februar 2011 Leistungen von der gesetzlichen Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Das Krankenhaus vom R in S2 stellte ihm unter dem 04.07.2012 eine Verordnung über Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von Vermeidungspflege aus. Wegen persistierender Immobilität und Beatmungspflichtigkeit aufgrund hyperkapnisch-hypoxischer Ateminsuffizienz bei COPD und Obesitas-Hypoventilationssyndrom wurde insbesondere die nächtliche invasive Beatmung des Versicherten verordnet. Entsprechende Folgeverordnungen stellte der Internist des Versicherten B unter dem 27.07.2012 für die Zeit bis 30.09.2012 aus.

Mit Schreiben vom 04.07.2012 übermittelte die Klägerin der Beklagten den „Überleitungs- und Berichtsbogen für beatmete Menschen“ als Anlage zur ärztlichen Verordnung über häusliche Krankenpflege vom 04.07.2012 zur Genehmigung. Mit Schreiben vom 23.07.2012 übersandte sie der Beklagten die Originalverordnung und beantragte eine Kostenzusage für den Mehraufwand der Beatmung.

Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) stellte in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 31.07.2012 durch S fest, dass bei dem Versicherten eine chronische Lungenerkrankung vorliege, er mit einem Tracheostoma versorgt und darüber nächtlich beatmet werde. Die verordnete häusliche Krankenpflege während der nächtlichen Beatmungszeit sei medizinisch begründet. Weiterhin bat der MDK um Wiedervorlage mit Pflegedokumentation sowie den Beatmungs- und ggf. Absaugprotokollen.

Mit Rechnungen vom 06.11.2012 forderte die Klägerin von der Beklagten die Vergütung des Mehraufwandes wegen der Beatmung des Versicherten in Höhe von jeweils 110,00 € pro 24 Stunden für die Zeit vom 04.07.2012 bis zum 31.07.2012 in Höhe von 3.080,00 €, für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.08.2012 in Höhe von 3.410,00 € und für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis zum 30.09.2012 in Höhe von 3.300,00 €. Dem an die Beklagte gerichteten Anschreiben vom 09.11.2012 legte sie die Beatmungskontrollblätter bei.

Mit Schreiben vom 18.02.2013 und 19.04.2013 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Vertrag über die Zulassung und Abrechnung von Behandlungspflege vorzulegen.

Mit Schreiben vom 03.05.2016 mahnte die Klägerin die Begleichung der Forderungen an und verwies auf den zwischenzeitlich vorliegenden Schiedsspruch der Schiedsperson Z nach § 132a SGB V zwischen der Klägerin und einer anderen Krankenkasse (dazu L 5 KR 2097/20).

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