Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Wohnungswechsel. vorherige Zusicherung. Anforderung. konkretes Wohnungsangebot. keine Feststellung der Erforderlichkeit des Auszuges

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 S 2 SGB 2 setzt voraus, dass ein konkretes Mietvertragsangebot über eine bestimmte Wohnung mit einem bezifferten Mietzins vorgelegt wird.

2. Eine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, abstrakt die Erforderlichkeit eines Auszugs festzustellen, besteht nicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.04.2011; Aktenzeichen B 4 AS 5/10 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Februar 2007 wird abgeändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) die Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft.

Die Klägerin zu 1 ist die 1974 geborene, geschiedene Mutter der 1993 geborenen Klägerin zu 2, der 1995 geborenen Klägerin zu 3 sowie der 2007 geborenen Klägerin zu 4.

Die Klägerinnen stehen seit dem 1. Januar 2005 bei der Beklagten im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnen eine 86 m² große Drei-Zimmer-Wohnung unter der im Rubrum bezeichneten Anschrift, für die eine “Gesamtmiete„ von insg. 588,81 € monatlich zu entrichten ist. Diese setzt sich aus einer Kaltmiete von 316,46 €, einer monatliche Vorauszahlung auf die Heizkosten i.H.v. 52,- €, einem Wertverbesserungszuschlag von 79,35 €, einem Garagenzuschlag von 26,- € sowie einer monatlichen Vorauszahlung auf Betriebskosen von 71,-€ und für Wasser/ Abwasser i.H.v. 44,- € zusammen. Die Beklagte berücksichtigte im Rahmen der Leistungsgewährung für die Kosten für Unterkunft und Heizung zunächst einen Betrag von 558,29 € monatlich, ab November 2005 563,72 € monatlich, ab Januar 2006 565,96 € monatlich und ab November 2006 569,82 € monatlich. Die Klägerinnen verfügen, außer dem gewährten Kindergeld für die Klägerinnen zu 2, zu 3 und zu 4 über keine regelmäßigen Einkünfte oder Vermögen.

Am 29. September 2006 beantragte die Klägerin zu 1 bei der Beklagten “eine Vier-Zimmer-Wohnung„. Sie trug vor, ihre elf und dreizehn jährigen Kinder teilten sich das Kinderzimmer. In diesem sei, da dort zwei Schreibtische stehen würden, kein Platz zum Spielen für die Kinder, sie müssten hierzu in das Wohnzimmer ausweichen. Dort würde die Familie gemeinsam essen. Wegen der Geburt des dritten Kindes sei daher eine Vier-Zimmer-Wohnung erforderlich. Auch benötige sie ein separates Schlafzimmer, da sie unter starker Migräne, verstärkt durch eine Thalassämie, leide und eine Rückzugsmöglichkeit für sich benötige. Außerdem befinde sich die Wohnung im 17. Stockwerk, weswegen der Balkon der Wohnung nach der Geburt des Kindes nicht mehr genutzt werden könne, da sie ständig Angst habe, dass dem Kind etwas passieren könne. Aufgrund der Höhe der Wohnung sammle sich der Schall der vorbeifahrenden Züge, weswegen es nachts wie tagsüber in der Wohnung sehr laut und staubig sei. Zur weiteren Begründung ihres Antrages legte die Klägerin zu 1 ein ärztliches Attest von Dr. Z., Internist/Hausarzt, vom 29. September 2006 vor, in welchem angeführt wird, die Klägerin zu 1 leide an einer schweren Anämie verursacht durch eine Thalassämie minor. Zusätzlich bestehe eine Migräne, die durch die Menstruation erheblich verstärkt sei. Konkrete Angaben zu einer in Aussicht genommenen neuen Wohnung wurden durch die Klägerin zu 1 nicht gemacht.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin zu 1 auf Kostenzusage für die Übernahme der Kosten der Unterkunft ab. Zur Begründung führte sie an, dass die Wohnung der Klägerin mit 86 m², einer Kaltmiete von 396,67 € sowohl der Größe wie den Mietkosten nach angemessen sei. Sie sei daher ausreichend mit Wohnraum versorgt, eine Notwendigkeit im Sinne des SGB II liege nicht vor. Ein Neugeborenes habe keinen eigenen Platzbedarf. Die weiteren Gründe, die von der Klägerin zu 1 zur Begründung ihres Antrages vorgebracht worden seien, stellten keine Gründe dar, die eine Kostenzusage rechtfertigen könnten.

Hiergegen erhob die Klägerin zu 1 am 7. November 2006 Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug, die Begründung, ein Neugeborenes habe keinen eigenen Platzbedarf, sei unzutreffend. Es sei zu berücksichtigen, dass ein Neugeborenes andere Schlafrhythmen habe als ältere Kinder und Erwachsene. Auch sei jede, dem Haushalt angehörende Person bei der Bemessung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen zu berücksichtigen. Den Klägern sei daher eine Wohnung mit einer Größe von 90 m² und vier Zimmern zuzubilligen. Die derzeit bewohnte Wohnung entspräche der Größe nach zwar diesen Anforderungen, die Wohnung sei jedoch wegen ihres Zuschnitts für die Klägerinnen aufgrund der Geburt ...

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