Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Untermietvertrag Familienangehöriger als Scheingeschäft

 

Orientierungssatz

1. Für die Bewertung der Frage, ob tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 vorliegen, ist der tatsächlich abgeschlossene Mietvertrag entscheidend. Ein Vertrag zwischen Angehörigen (hier Mietvertrag der Eltern mit volljährigem Sohn) ist der Leistungsgewährung nur dann zugrunde zu legen, wenn er zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sogenannter Fremdvergleich) (vgl LSG Stuttgart vom 15.9.2006 - L 8 AS 5071/05 in Anlehnung an die Rechtsprechung des BFH vom 19.10.1999 - IX R 39/99 = NJW 2000, 758; vgl auch VG Augsburg vom 17.3.2005 - Au 3 K 04.1474).

2. Erfüllt der Mietvertrag diese Kriterien nicht, so ist er als Scheingeschäft iS des § 117 Abs 1 BGB zu werten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.05.2009; Aktenzeichen B 14 AS 31/07 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger neben bewilligter Regelleistungen auch ein Anspruch auf Gewährung angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zusteht.

Der ... 1969 geborene Kläger ist ledig. Er bezog bis zur Erschöpfung des Anspruches ab 22.01.2003 Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 185,50 € und anschließend bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 163,73 €. Er bewohnt eine Wohnung im Haus seiner Eltern.

Der Kläger beantragte am 05.10.2004 Leistungen nach dem SGB II. Zu den Kosten der Unterkunft und Heizung gab er an, die von ihm bewohnte Wohnung sei ihm von seinem Vater vermietet worden. An Wohnungskosten macht er geltend, Miete (ohne Garage, Stellplatz und Nebenkosten) monatlich 200 €, Heizkosten Holz jährlich ca. 100 € und Heizkostenpauschale für Zentralheizung ca. 80 €, Strom 60 €, Wasser/Abwasser 30 € und für sonstige Wohnungskosten (Putzmaterial, Verschiedenes) ca. 10 bis 15 €. Als Einkommen gab der Kläger die bezogene Arbeitslosenhilfe an und erklärte, über kein Vermögen zu verfügen. Er machte Kosten für eine Kfz-Versicherung in Höhe von jährlich 475,79 Euro geltend. Als Belege legte er insbesondere vor, einen Kfz-Versicherungsschein, ein als "Mietvertrag" überschriebenes Schreiben ohne Datum über eine EG-Wohnung, 47 qm, mit einer Gesamtmiete von 310 € plus Stromabschlag 50 €, über Nebenkosten vom 01.01.2005 in Höhe von monatlich 61,75 € (Abwasser/Kanalgebühren 20 €, Abfallgebühr 1,70 €, Schornsteinfeger 2,60 €, allgemeine Beleuchtung 11 €, Gebühr für Gemeinschaftsantenne ohne Kabelgebühren 16,15 €, umlagefähige Versicherungen für die Wohnung 7,90 € und Grundsteuer 2,40 €) und Heizkosten in Höhe von monatlich 48 €. Weiter legte der Kläger den Rentenbescheid seines Vater vom 08.03.2004 vor, mit dem Rente in Höhe von monatlich 1061,25 € zur Auszahlung bewilligt wurde.

Mit Bescheid vom 10.12.2004 bewilligte die Agentur für Arbeit Balingen (AA) dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Monat Januar 2005 in Höhe von 401,00 € (Regelleistungen 345 € zuzüglich befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld 56 €) und für die Zeit vom 01.02.2005 bis 30.04.2005 in Höhe von monatlich 345,00 €. Leistungen für angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung wurden nicht bewilligt. Am 21.03.2005 rügte der Kläger bei der AA einen Bescheid sowie Zahlungen noch nicht erhalten zu haben. Die AA übersandte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 07.04.2005 den ergangenen Bescheid mit aktuellem Datum vom 07.04.2005.

Mit Schreiben vom 03.02.2005 teilte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg der AA mit, dass dem Kläger zur Erlangung eines Arbeitsplatzes Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht gestellt worden seien.

Am 14.04.2005 sprach der Kläger bei der AA vor und erklärte zur Niederschrift, er müsse tatsächlich Miete und Nebenkosten zahlen und bitte um Übernahme der Kosten. Belege für die erfolgten Mietzahlungen werde er nachreichen. Hierzu legte der Kläger Kontoauszüge über Barauszahlungen vor.

Am 14.04.2005 beantragte der Kläger (unter Vorlage weiterer Belege) außerdem die Fortzahlung von Leistungen nach dem SGB II. Er gab an, es seien keine Änderungen in den Verhältnissen eingetreten; Einkommen und Vermögen wurden vom Kläger verneint. Er legte insbesondere zwei ärztliche Bescheinigungen zur Feststellung einer schwer wiegenden chronischen Krankheit im Sinne des § 62 SGB V der Dr. B vom 31.01.2005 vor. Außerdem legte der Kläger den Rentenbescheid seiner Mutter vom 08.03.2004 vor, mit dem Rente in Höhe von monatlich 589,04 € zur Auszahlung bewilligt wurde, sowie ein weiteres als "Mietvertrag" überschriebenes Schreiben ohne Datum.

Mit Bescheid vom 18.04.2005 bewilligte die AA dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 345,00 € (Regelleistung). Leistungen für angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung wurden wiederum ...

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