Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Versicherungspflicht bzw -freiheit. Werkstudent. Langzeitstudent

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Gesamtsozialversicherungspflicht und zum sog. Werkstudentenprivileg eines 55-jährigen Studenten nach 25-jährigem Studium in einem Arbeitsverhältnis von regelmäßig 25 Wochenstunden.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 3.5.2004 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger, der als Student bei der Beklagten freiwillig versichert war, in einem Zeitraum im Jahr 2003 wegen einer Beschäftigung gesamtsozialversicherungspflichtig gewesen ist.

Der 1951 geborene Kläger war seit März 1986 an der Fachhochschule L. als Student des Studiengangs Internationales Personalmanagement und Organisation eingeschrieben. Zuvor hatte er bereits im Wintersemester 1980/1981 an der Fachhochschule S. ein Studium im Fach Wirtschaftsingenieurwesen aufgenommen. Er wurde bei der Beklagten bis 28.2.1989 in der Krankenversicherung der Studenten geführt. Seit 1.3.1989 war er bei der Beklagten freiwillig versichert. Ab Oktober 1995 arbeitete er bei der Beigeladenen zu 1) an zwei Tagen pro Woche für durchschnittlich 15 Stunden wöchentlich. Aufgrund einer Verdienstabrechnung der Beigeladenen zu 1) legte die Beklagte durch Einstufungsbescheide vom 30.9.2002 ab 1.6.2002 die monatlichen Beiträge für die freiwillige Versicherung in Bezug auf Kranken (KV)- und Pflegeversicherung (PV) in Höhe von 117,22 € beziehungsweise 14,66 € neu fest.

Nachdem die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hatte, dass er nach der Rechtsprechung nicht mehr als ordentlich Studierender anzusehen, er daher gesamtsozialversicherungspflichtig und somit eine freiwillige Versicherung nicht mehr möglich gewesen sei, und der Kläger hierauf erwidert hatte, das Beschäftigungsverhältnis habe schon zum 1.10.1996 bestanden und er berufe sich auf die Übergangsvorschrift des § 230 Abs. 4 SGB VI, hob die Beklagte mit Bescheid vom 13.3.2003 die Einstufungsbescheide vom 30.9.2002 mit Wirkung vom 1.4.2003 auf. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers unterliege der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Eine Versicherungsfreiheit trete nur dann ein, wenn das Studium die Hauptsache und die Beschäftigung nebensächlich sei. Für Studenten, deren Studium weit über die Regelstudienzeit hinaus betrieben werde (mehr als 25 Semester), sei von einer Versicherungspflicht auszugehen.

Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch. Er trug darin im Wesentlichen vor, entscheidend sei, dass ein Studium mit dem Ziel eines akademischen Abschlusses absolviert werde. Regelstudienzeiten seien lediglich Anhaltspunkte dafür, wann mit einem Abschluss frühestens gerechnet werden könne. Das Beschäftigungsverhältnis bestehe seit Oktober 1995 und § 230 Abs. 4 SGB VI besage, dass er in dieser Beschäftigung versicherungsfrei bleiben müsse. Auf Aufforderung der Beklagten nach Leistungsnachweisen und Studienbuch legte er einen "Notenspiegel" der Hochschule vor; Leistungsnachweise und Studienbuch könne er nicht einreichen, da er diese für einzelne Veranstaltungen benötige.

Mit Schreiben vom 28.4.2003 kündigte der Kläger die Mitgliedschaft bei der Beklagten zum 30.6.2003.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die förmliche Einschreibung als Student reiche zur Annahme einer Versicherungsfreiheit nicht aus. Der Kläger sei nicht bereit, Studienbuch und Leistungsnachweise vorzulegen. Eine unverhältnismäßig lange Studienzeit führe zur Ablehnung der Versicherungsfreiheit. Der Kläger sei nach seinem Erscheinungsbild kein ordentlich Studierender.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Auffassung vertreten, er sei ordentlicher Student, denn er nehme regelmäßig an Vorlesungen teil und sei bereits vor dem 1.10.1996 Student in einer versicherungsfreien Beschäftigung gewesen.

Durch Urteil vom 3.5.2004 hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei kein ordentlich Studierender. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob jemand mit 53 Jahren ernsthaft einen akademischen Abschluss verfolge. Die Eigenschaft als Student sei für die Versicherungsfreiheit nicht ausreichend. Vielmehr müsse der Kläger ein ordentlich Studierender sein. Dies bedeute, er müsse das Studium ernsthaft betreiben und in einem zeitnahen Rahmen durch überwiegenden Einsatz seiner Arbeitskraft den akademischen Abschluss anstreben. In § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V habe der Gesetzgeber eine Höchststudiendauer und ein Studienalter für die Versicherungsfreiheit eingeführt. Der Kläger studiere seit 23 Jahren in derselben Fachrichtung, was nicht zu rechtfertigen sei. Damit sei belegt, dass der Kläger das Studium nicht ernsthaft betrieben habe, sondern die entgeltliche Beschäftigung im Vordergrund stehe. ...

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