Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Übernahme von Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Angemessenheitsbegriff. Einstweiliger Rechtsschutz. Anordnungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den angemessenen Aufwendungen iS von § 32 Abs 5 SGB 12 für eine Kranken- und Pflegeversicherung gehört bei nicht gesetzlich versicherten Leistungsberechtigten auch in Fällen, in denen die Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Höhe der zu zahlenden Beiträge besteht, der verminderte Beitrag im Basistarif iS von § 12 Abs 1c S 4 VAG und nicht nur der - nochmals geringere - Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag, der für Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu tragen wäre; § 12 Abs 1c S 6 VAG ist zur Bestimmung des Begriffs der Angemessenheit insoweit nicht heranzuziehen (Fortführung LSG Stuttgart vom 8.7.2009 - L 7 SO 2453/09 ER-B).

2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs 2 S 2 SGG fehlt es in diesen Fällen nicht allein wegen des in § 206 Abs 1 S 1 VVG (juris: VVG 2008) vorgesehenen Kündigungsverbotes bei der substitutiven Krankheitskostenversicherung und der in § 193 Abs 3 S 1 VVG (juris: VVG 2008) bestimmten Notversorgungspflicht bei einem Ruhen der Leistungen wegen Prämienrückstands an dem erforderlichen Anordnungsgrund.

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 23. April 2010 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig in der Zeit vom 7. April 2010 bis zum 31. Dezember 2010, längstens jedoch bis zum Abschluss des Klageverfahrens S 9 SO 2180/10, im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) bei der Bestimmung des Bedarfs Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung bei der Antragstellerin zu 1. in Höhe von monatlich 310,48 Euro für die Zeit bis zum 30. September 2010 und von monatlich 289,38 Euro für die Zeit ab dem 1. Oktober 2010 sowie beim Antragsteller zu 2. in Höhe von monatlich 272,58 Euro für die Zeit bis zum 30. Juni 2010 und von monatlich 286,61 Euro für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 anstelle der bisher jeweils anerkannten 144,09 Euro zu berücksichtigen, soweit die danach zusätzlich zu den bereits bewilligten Leistungen zu gewährenden Beträge bei der Antragstellerin zu 1. 151,44 Euro und beim Antragsteller zu 2. 134,85 Euro monatlich nicht übersteigen.

Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin F.-G., H., bewilligt.

 

Gründe

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegten Beschwerden der Antragsteller sind zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG). Das Gericht entscheidet durch Beschluss (§ 86b Abs. 4 SGG).

Vorliegend kommt, wie vom Sozialgericht Mannheim (SG) zutreffend erkannt, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164); eine einstweilige Anordnung darf mithin nur erlassen werden, wenn - bei Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags - sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Denn die Regelungsanordnung dient zur “Abwendung„ wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller Notlagen notwendig sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 28. März 2007 - L 7 AS 121/07 ER-B - ≪juris≫ und 26. Januar 2009 - L 7 SO 7...

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