Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Auslegung des Begriffs der Angemessenheit der Aufwendungen gem § 32 Abs 5 SGB 12 für eine private Kranken- und Pflegeversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Auslegung des Begriffs der "Angemessenheit" der Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversicherung bei nicht gesetzlich versicherten Leistungsberechtigten nach § 19 Abs. 1 SGB XII.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und auch im Übrigen statthaft, insbesondere wäre in der Hauptsache die Berufung wegen Überschreitens der Beschwerdewertgrenze von 750,00 € nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG).

Zwar hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) vorläufigen Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Richtigerweise hat das SG diesen Antrag jedoch sachdienlich nach § 123 SGG als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ausgelegt. Im Hauptsacheverfahren wäre dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid der Beklagten vom 16. April 2009 ausschließlich mit der Anfechtungs- und nicht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu begegnen. Denn Regelungsgegenstand dieses Bescheides ist ausschließlich die zum 1. April 2009 erfolgte Reduzierung der mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis 31. Oktober 2009 bewilligten monatlichen Grundsicherungsleistungen nach §§ 41ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Höhe von zuletzt 819,35 € auf 573,04 €. Grund hierfür war die Berücksichtigung des Bedarfs für Kranken- und Pflegeversicherung nur noch in Höhe von 147,33 € anstelle des ursprünglich anerkannten Bedarfs in Höhe von 393,64 €. Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Antragstellerin dagegen, dass nur noch Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 147,33 € berücksichtigt werden, obwohl sich die Kosten der Krankenversicherung auf 284,82 € monatlich belaufen. Dieser Betrag sei bei der Bedarfsberechnung ebenso zu berücksichtigen wie die “bekannten Kosten der Pflegeversicherung„. Diese betragen ausweislich einer telefonischen Auskunft der HUK Coburg Krankenversicherung seit 1. April 2009 35,83 €. Der Widerspruch richtete sich somit gegen die (Teil-)Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 2008, soweit nunmehr ein geringerer Betrag als 320,65 € (284,82 € + 35,83 €) als Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung übernommen wurde. Nur insoweit wurde mit dem am 17. April 2009 beim SG gestellten Eilantrag auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs begehrt. Weitere mit der Leistungsklage bzw. im Eilverfahren mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstreitende Leistungen machte die Antragstellerin nicht geltend.

Nachdem der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Teilaufhebungsbescheides vom 16. April 2009 gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet hat und damit die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin entfallen ist, ist der statthafte Rechtsbehelf im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 29. April 2009 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. April 2009 angeordnet.

Die Anordnung des Sofortvollzuges entspricht den förmlichen Voraussetzungen des § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG. Die danach erforderliche schriftliche Begründung darf nicht nur den Erlass der Grundentscheidung erfassen, sondern muss das besondere öffentliche Interesse darlegen, das ausnahmsweise die sofortige Vollziehung rechtfertigt. Ob der schlichte Verweis auf das Gebot sparsamer und wirtschaftlicher Mittelverwendung im Bereich der sozialen Leistungsverwaltung allein als ausreichende Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs ausreicht, bedarf hier keiner Entscheidung. Zwar stellt der Hinweis, dass mangels Rechtsgrundlage kein Anspruch auf weitergehende Leistungen bestehe, keine die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigende Begründung dar. Für den Fall, dass gerade über diese Frage Streit besteht, hat der Gesetzgeber im Rahmen der Eingriffsverwaltung grundsätzlich dem eingelegten Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung beigemessen. Das Risiko des Antragsgegners, seine Rückforderung bei nicht bestehendem Anspruch auf Fortsetzung der Leistung mangels Masse bei der Antragstellerin nicht realisieren zu können, ebenso wie der geäußerte Gedanke, unter Fürsorgegesichtspunkten nicht ein Leben über Sozialhilfeniveau für die Dauer des Rechtsstreits mit der Folge hoher Rückzahlungsverpflichtungen finanzieren zu können, stellen indes Erwäg...

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