Rz. 1

Durch die Vereinheitlichung des Internationalen Erbrechts mit der seit dem 17.8.2015 geltenden Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses[1] (nachfolgend EuErbVO) entfallen u.a. die länderspezifischen Ausführungen zum Internationalen Erbrecht.[2]

 

Rz. 2

Wie in einigen EU-Mitgliedstaaten war die anzuwendende Rechtsordnung in Litauen bis zur Geltung der EuErbVO auf die Rechtsfolge von Todes wegen nicht für den gesamten Nachlass einheitlich, sondern differenziert. Grundsätzlich bestimmte sich danach die gesetzliche Erbfolge nach dem Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen ständigen Aufenthaltsort bei seinem Tode hatte (Art. 1.62.1 lit. BGB[3]). Der gewöhnliche Aufenthalt in der EuErbVO ist auch für die Zuständigkeit und das anzuwendende Recht maßgeblich. Der genannte Grundsatz wurde in Litauen jedoch bisher durchbrochen, wenn Immobilien im Ausland vererbt werden, da für diese Immobilien das Recht des Staates anwendbar ist, in dem diese belegen sind (lex situs) (Art. 1.62.1 lit. BGB). In der EuErbVO wird im Gegensatz zum alten litauischen Erbkollisionsrecht der Grundsatz der Einheitlichkeit der Erbfolge zugrunde gelegt. Danach ist das auf die Erbfolge anwendbare Recht auf die gesamte Erbmasse anzuwenden, und zwar unabhängig von der Art des Vermögens (beweglich oder unbeweglich). Der sog. Spaltnachlass findet somit ein Ende.

 

Rz. 3

Ferner knüpfte das alte litauische Erbkollisionsrecht für Pflichtteilsansprüche auch an die Staatsangehörigkeit an, und zwar wie folgt: Die in Litauen lebenden pflichtteilsberechtigten Erben eines litauischen Staatsbürgers erben ihren Pflichtteil nach litauischem Recht, ungeachtet des normalerweise anzuwendenden Rechts, es sei denn, Immobilien werden vererbt (Art. 1.62.2 lit. BGB).

 

Rz. 4

Mit der EuErbVO wurde auch der vormalige Anknüpfungspunkt an die Staatsangehörigkeit des Erblassers europaweit beseitigt. Gemäß EuErbVO kann eine Person nur eine Rechtswahl treffen, indem sie in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen das Recht des Staates wählt, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört.

 

Rz. 5

Bis zum heutigen Tag wurden für Litauen keine bedeutenden gesetzlichen Änderungen aufgrund der EuErbVO vorgenommen.[4] Die EuErbVO ist auf die Rechtsnachfolge von Personen, die am 17.8.2015 oder danach verstorben sind, unmittelbar anwendbar. Die fehlende Anpassung des litauischen Rechts bereitet jedoch in der Praxis Schwierigkeiten.

 

Rz. 6

Gerichtliche Verfahren, welche sich mit Fragen der Anwendung der EuErbVO beschäftigen, sind bis jetzt nur in Einzelfällen vorhanden. Eines der Problemfelder besteht jedoch in der praktischen Umsetzung von in Deutschland ausgegebenen Europäischen Nachlasszeugnissen, welche Erbrechte an Immobilienvermögen beinhalten. Die eben angesprochenen, in Deutschland ausgegebenen Nachlasszeugnisse beinhalten im Regelfall keine ausreichend konkreten und individualisierten Angaben über das jeweilig vererbte Immobilienvermögen, so dass das litauische Grundbuch es ablehnt, das jeweilige Erbrecht durch einen entsprechenden Eintrag in das litauische Grundbuch in der Praxis umzusetzen. Das litauische Grundbuch verweist darauf, dass in deutschen Europäischen Nachlasszeugnissen die für eine Identifizierung der entsprechenden Immobilien notwendigen Daten fehlen.

 

Rz. 7

Ein nennenswertes aktuelles Verfahren beschäftigt sich mit der Frage, welcher Staat – Litauen oder Deutschland – als gewöhnlicher Wohnsitz der Erblasserin am Tag ihres Todes anzusehen ist und wo das Erbscheinverfahren durchgeführt werden muss. Das Gericht erster Instanz verpflichtete den Notar, ein Erbscheinverfahren gemäß dem Belegenheitsort des der Erblasserin in Litauen gehörenden Vermögens zu eröffnen und einen Erbschein für das sich in Litauen befindliche Vermögen auszustellen. Das Gericht führte aus, dass trotz der Deklaration der Ausreise aus Litauen nach Deutschland durch die Erblasserin (Mutter des Antragstellers) aufgrund ihrer litauischen Staatsangehörigkeit, ihres Immobilienvermögens in Litauen und des nicht abgebrochenen Kontakts mit Litauen genügend Gründe für ein solches Erbscheinverfahren in Litauen vorlägen, so dass litauische und nicht deutsche Gerichte zuständig sein sollten. Auch habe die Erblasserin in Deutschland kein Immobilienvermögen besessen und in Litauen ein Testament verfasst. Das Berufungsgericht stellte des Weiteren fest, dass nur ein Gericht bei Vorliegen eines Streits über die Anerkennung des gewöhnlichen Wohnsitzes der Erblasserin entscheiden könne. Im vorliegenden Fall hätte sich der Antragsteller nicht an ein Gericht gewandt, so dass sich das Gericht erster Instanz, welches den entsprechenden Beschluss des Notars aufgehoben hatte, unbegründeterweise auf allgemeine Rechtsgrundsätze berufen hätte. – Das Revisionsgericht stellte sich ...

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