Entscheidungsstichwort (Thema)

Fälligkeit des Werklohnanspruches ohne erfolgte Abnahme bei Abnahmereife des Werkes und unberechtigter Verweigerung der Abnahme. Einbeziehung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) bei bloßem Hinweis durch den Unternehmer auf eine Möglichkeit der Einsichtnahme in dessen Büroräumlichkeiten. Rechnungserteilung und Prüfbarkeit der Rechnung als Fälligkeitsvoraussetzung im Werkvertragsrecht. Gesamtschuldnerschaft von zwei Bauherren aufgrund eines gemeinsam errichtetem Wohngebäudes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 641 I BGB wird die Forderung eines Unternehmers gegen den Besteller auf Werklohn grundsätzlich erst mit der Abnahme des Werkes fällig. Doch auch dann, wenn die Abnahme eines Bauwerks durch einen Besteller nicht erfolgt, ist der Werklohnanspruch des Unternehmers fällig, wenn das Werk abnahmereif ist, die vom Besteller behaupteten Mängel nicht vorhanden sind, und der Besteller damit die Abnahme unberechtigt verweigert.

2. Sind die VOB/B nicht wirksam in einen Bauwerkvertrag einbezogen, gelten die Vorschriften des BGB. Nach § 305 II und III BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen – und damit auch die VOB/B – nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsabschluss die andere Vertragspartei ausdrücklich oder durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsabschlusses auf sie hinweist und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Ist dem Bauherren die VOB „nicht vertraut”, so muss sie ihm von dem Vertragspartner (Unternehmer) konkret zur Kenntnis gebracht werden. Ein bloßer Hinweis auf die VOB/B reicht in diesen Fällen in der Regel nicht aus, auch nicht der Hinweis, der Text der VOB werde auf Wunsch „kostenlos zur Verfügung gestellt".

3. Bei einem BGB-Werkvertrag ist streitig, ob die Fälligkeit des Werklohns auch von der Erteilung der Rechnung abhängig ist. Nur wenn man die Erteilung der Rechnung durch den Unternehmer als Fälligkeitsvoraussetzung ansieht, ist folgerichtig zu fordern, dass die Rechnung auch prüfbar sein muss, wobei jedoch der Besteller mit dem Einwand fehlender Prüfbarkeit der Schlussrechnung ausgeschlossen ist, wenn er nicht binnen zwei Monaten nach dem Zugang der Schlussrechnung den Einwand erhoben hat. Das gilt nicht nur für den VOB-Werkvertrag, sondern auch für den BGB-Werkvertrag.

4. Sind Auftraggeber bei einem Bauwerkvertrag zwei Miteigentümer. so haften sie beide dem Unternehmer als Gesamtschuldner nach § 427 BGB. Etwas anderes gilt dann, wenn bei größeren Wohnanlagen mit mehreren Wohnungseigentümern eine besondere Interessenlage besteht, die dahin zu würdigen ist, dass nach den beiderseitigen Erwartungen der Vertragspartner in der Regel die Wohnungseigentümer nur anteilig verpflichtet werden sollen, die Kosten der Herstellung der Wohnanlage zu tragen. Das mit einer gesamtschuldnerischen Haftung verbundene Wagnis geht in solchen Fällen regelmäßig weit über das den einzelnen Wohnungseigentümern wirtschaftlich und sozial Zumutbare hinaus.

 

Normenkette

BGB § 305 Abs. 2-3, §§ 389, 425, 427, 631 Abs. 1, § 641 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 08.11.2007; Aktenzeichen VII ZR 183/05)

BGH (Urteil vom 19.04.2005; Aktenzeichen X ZR 191/02)

BGH (Urteil vom 18.06.1979; Aktenzeichen VII ZR 187/78)

 

Nachgehend

OLG Stuttgart (Urteil vom 16.11.2010; Aktenzeichen 10 U 77/10)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 5.337,68 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2007 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 80%, die Klägerin 20%.

4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: EUR 20.148,48.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns. Die Beklagte wendet die fehlende Prüffähigkeit der Schlussrechnung der Klägerin sowie das Vorhandensein von Mängeln am klägerischen Gewerk ein.

Zwischen der Klägerin einerseits und der Beklagten sowie Frau S. andererseits kam am 06.10./10.10.2006 ein Einheitspreis-Werkvertrag über Außenputzarbeiten, insbesondere die Herstellung einer Wärmedämmverbundfassade, am Objekt S.-straße 12 in D. zustande. Im Angebot hatte die Klägerin darauf hingewiesen, dass Bestandteil des Angebots die Bestimmungen der VOB jeweils in der neuesten, gültigen Fassung sind, und diese in ihren Büroräumen eingesehen werden können. Nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin wurde grundsätzlich mit jedem Angebot die VOB/B in Kurzfassung mitübersandt. Die Beklagte weiß nicht mehr, ob dies beim klägerischen Angebot auch in ihrem Fall so war. Eingesehen hat die Beklagte die VOB/B bei der...

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