Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung und Herausgabe

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Urteil vom 17.05.1991)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 17.5.1991 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Streitwert der Berufung: DM 480,–

 

Tatbestand

Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn die Beklagte ist wertmäßig über 1.200,– DM beschwert. Der Betrag des Jahresmietzinses ist für die Frage der Beschwer nicht maßgebend. Die Regelung des § 16 Abs. 2 GKG betrifft den Gebührenstreitwert, welcher nicht immer mit dem Wert der Beschwer gleichzusetzen ist.

Für die Beklagte als Rechtsmittelklägerin gilt die sogenannte materielle Beschwer, dh. maßgeblich ist, inwieweit die Verurteilung die Beklagte inhaltlich belastet und damit ihr wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.

Dieses Interesse wird mit dem Betrag der Jahresmiete für entsprechenden Lagerraum nicht gebührend berücksichtigt, da unbefristete Mietverhältnisse in der Regel von längerer Dauer sind.

Die Kammer geht daher für die Wertfestsetzung nach freiem Ermessen (§ 3 ZPO) von einer mittleren Dauer von 3 Jahren bei einem monatlich aufzuwendenen Mietzins von 40,– DM für entsprechenden Lagerraum aus (vgl. auch LG Berlin MDR 1985, 1034 und MDR 1986, 323 sowie Zöller ZPO, 16. Aufl. RN 16 zu § 3 ZPO, Stichwort Mietstreitigkeiten).

Die Beschwer der Beklagten aus dem der Räumungsklage stattgebenden Urteil übersteigt danach 1.200,– DM (511 a ZPO).

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihr genutzten Abstellräume im 2. Dachgeschoß des Gebäudes … in … zu.

Die Kündigung der Kläger vom 17.12.1990 hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis hinsichtlich der streitgegenständlichen Nebenräume nicht wirksam beendet.

Hierbei kann dahinstehen, ob für eine Kündigung nicht zum Wohnen bestimmter Nebenräume die Kündigungsfrist des § 565 Abs. 1 Ziffer 3 BGB gilt oder aber, da es sich um ein einheitliches Mietverhältnis über Wohnräume einschließlich der mitvermieteten Nebenräume handelt mit der Möglichkeit einer Teilkündigung der Nebenräume, die Kündigungsfristen für Wohnraummietverhältnisse gemäß § 565 Abs. 2 BGB Anwendung finden (so auch Barthelmess 4. Aufl. RN 101 a zu § 564 b BGB; Sternel „Mietrecht aktuell” RN 3).

Im vorliegenden Fall sind nämlich schon die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Kündigung nach § 564 b Abs. 2 Ziffer 4 BGB nicht gegeben.

Der Kläger Ziffer 1 will die gekündigten Nebenräume im 2. Dachgeschoß nämlich nicht zum Zwecke der Vermietung ausbauen, wie es diese Vorschrift erfordert, sondern will Wohnraum für sich und seine Familie dort schaffen.

Dieser Fall wird jedoch vom Wortlaut des § 564 b Abs. 2 Ziffer 4 BGB nicht umfaßt, welcher als berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung von Nebenräumen nur nennt, daß dieser die Nebenräume in zulässiger Weise zu Wohnraum zum Zwecke der Vermietung ausbauen will.

Eine ausdehnende, über diesen Wortlaut hinausgehende Auslegung dieser Vorschrift ist nach Auffassung der Kammer nicht möglich.

Aus der Beschlußempfehlung und dem Bericht des 16. Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz, durch welches diese Vorschrift in das Bürgerliche Gesetzbuch Eingang fand, ergibt sich, daß die Formulierung „zu Wohnraum zum Zwecke der Vermietung” ausbauen will auf Empfehlung dieses Ausschusses in den Entwurfstext eingefügt wurde. Nach der Begründung des Ausschusses sollte durch diese Fassung der Vorschrift von vorneherein der Versuchung zum Mißbrauch entgegengewirkt und sichergestellt werden, daß tatsächlich Wohnraum für Dritte entsteht und nicht nur die Wohnfläche des Eigentümers vergrößert wird (Bundestags-Drucksache 11/6636 S. 28 und 33).

Angesichts dieser gewollt restriktiven Fassung der Kündigungsvorschrift durch den Gesetzgeber verbietet sich eine über deren Wortlaut hinausgehende Anwendung auf die Fälle, in denen der Vermieter wie hier die Nebenräume für eigene Wohnzwecke ausbauen will, auch wenn dadurch – was vorliegend im übrigen nicht sichergestellt ist – die bislang vom Vermieter genutzte Wohnung zur Vermietung frei wird.

Die Klage war daher auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung mangels einer wirksamen Kündigung abzuweisen.

Über die Anschlußberufung der Kläger war, nachdem diese im Terrain zurückgenommen worden war, nicht mehr zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1326963

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