Verfahrensgang

AG Passau (Beschluss vom 07.12.2011; Aktenzeichen 802 K 385/10)

 

Tenor

I. Der Beschluss des Amtsgerichts Passau vom 07.12.2011 wird aufgehoben.

II. Der Verkehrswert des zu versteigernden Objektes einschließlich des gesetzlichen Zubehörs wird auf 122.000,00 EUR festgesetzt.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten zu 1–3) sowie Herr …, dessen Rechte durch die Beteiligte zu 4) als Treuhänderin über dessen Vermögen wahrgenommen werden, sind Eigentümer in ungeteilter Erbengemeinschaft des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … HsNr. …, Gebäude- und Freifläche zu … qm, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … von …, Blatt …. Der Beteiligte zu 1) betreibt zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft die Zwangsversteigerung dieses Grundbesitzes, die mit Beschluss des Amtsgerichts Passau vom 03.11.2010 angeordnet wurde.

In einem vom Amtsgericht Passau erholten Gutachten vom 10.06.2011 hat der Sachverständige Dipl. Ing. (FH) … einen Verkehrswert des vorgenannten Grundbesitzes in Höhe von 86.000,00 EUR ermittelt. Auf dem Dach des in erster Linie zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes befinden sich zwei Photovoltaikanlagen, die als sogenannte Aufdachanlagen konstruiert sind, d.h. die Photovoltaikmodule sind auf einer Unterkonstruktion montiert, welche wiederum mit Dachankern am vorhandenen Dach befestigt wurden, wobei die Dachkonstruktion die Dacheindeckung nicht beeinträchtigt. Der von den Solaranlagen produzierte Strom wird ausschließlich in das öffentliche Stromnetzt eingespeist. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten den Verkehrswert der beiden Photovoltaikanlagen mit 12.000,00 EUR bzw. 24.000,00 EUR ermittelt.

Mit Beschluss vom 07.12.2011 hat das Amtsgericht Passau den Verkehrswert für das zu versteigernde Objekt auf 86.000,00 EUR festgesetzt. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, die beiden Photovoltaikanlagen seien mangels Einspeisung des erzeugten Stromes in den eigenen Stromkreis nicht als Zubehör und auch nicht als Bestandteil des zu versteigernden Grundstücks zu bewerten und somit im Rahmen der Verkehrswertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.

Gegen den am 14.12.2011 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 4) mit Schriftsatz vom 19.12.2011, eingegangen am 22.12.2011, sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den Verkehrswert des zu versteigernden Objektes unter Berücksichtigung der beiden Photovoltaikanlagen auf 122.000,00 EUR festzusetzen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts seien auf dem Dach von Gebäuden angebrachte Photovoltaikanlagen wesentliche Bestandteile, zumindest aber Zubehör des Gebäudes.

Das Amtsgericht Passau hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, an der Bestandteilseigenschaft fehle es schon deshalb, weil die Anlage jederzeit ohne Zerstörung der Hauptsache entfernt werden könne. Gesetzliches Zubehör liege ebenfalls nicht vor, weil mangels Einspeisung in den eigenen Stromkreis keinerlei Zweckbindung zum Objekt erkennbar sei.

 

Entscheidungsgründe

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Gemäß § 74 a Abs. 5 Satz 1 ZVG wird der Grundstückswert (Verkehrswert) vom Vollstreckungsgericht, nötigenfalls nach Anhörung von Sachverständigen, festgesetzt. Gemäß § 74 a Abs. 5 Satz 2 ZVG ist der Wert der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt, unter Würdigung aller Verhältnisse frei zu schätzen. Nach § 55 Abs. 1 ZVG erstreckt sich die Versteigerung auf alle Gegenstände, deren Beschlagnahme noch wirksam ist. Gemäß § 20 Abs. 2 ZVG sind damit auch diejenigen Gegenstände umfasst, auf welche sich bei einem Grundstück die Hypothek erstreckt. Dies wiederum bestimmt sich nach § 1120 BGB, wonach sich die Hypothek auf die von dem Grundstück getrennten Erzeugnisse und sonstigen Bestandteile erstreckt, soweit sie nicht mit der Trennung nach §§ 954 bis 957 BGB in das Eigentum eines anderen als des Eigentümers oder des Eigenbesitzers des Grundstücks gelangt sind, sowie auf das Zubehör des Grundstücks mit Ausnahme derjenigen Zubehörstücke, welche nicht in das Eigentum des Eigentümers des Grundstücks gelangt sind. Die letztgenannte Einschränkung wird durch § 55 Abs. 2 ZVG dahingehend modifiziert, dass sich die Versteigerung auf Zubehörstücke, die sich im Besitz des Schuldners oder eines neu eingetretenen Eigentümers befinden, auch dann erstreckt, wenn sie einem Dritten gehören, es sei denn, dass dieser sein Recht nach Maßgabe des § 37 Nr. 5 ZVG geltend gemacht hat.

2. Nach Maßgabe dieser Vorschriften sind die Photovoltaikanlagen in die Verkehrswertfestsetzung einzubeziehen, da es sich bei ihnen um Zubehör des zu versteigernden Grundstücks im Sinne des § 97 BGB handelt.

a) Die Photovoltaikanlagen sind nicht Bestandteile der Hauptsache. Bestandteile einer Sache sind sowohl die Teile einer natürlichen Sacheinheit als auch die einer zusammengesetzten Sache, die durch Verbindung miteinander ihre Selbständigkeit verloren haben. Maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich um einen Bestand...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge