Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung

 

Verfahrensgang

AG Brake (Urteil vom 25.01.1993)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 18.10.1993; Aktenzeichen 1 BvR 1335/93)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Brake vom 25.01.1993 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufung.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß sich die Tochter der Beklagten mit ihrem Ehemann und zunächst zwei, jetzt drei Kindern seit etwa Mitte des Jahres 1991 so gut wie täglich bei den Beklagten tagsüber bis etwa 20.30 Uhr abgehalten hat. Nach der Geburt des dritten Kindes hielten sie sich zumindest jeweils ab Mittag, manchmal aber auch schon vormittags in der Wohnung auf. Ab Sylvester 1991 haben sie zumindest zwei Monate ganz bei den Beklagten gewohnt. Nachdem die Beklagten – nach der mit Schreiben vom 12.03.1992 erklärten Kündigung – mit Schreiben vom 11.05.1992 abgemahnt wurden, hielten sie sich ausweislich der Bekundungen der Zeugen … und unter Bezugnahme auf die von den Zeugen … gefertigten Aufzeichnungen zwar zunächst tatsächlich nur wenige Stunden in der Wohnung der Beklagten auf. Allerdings war dieser Zustand nicht von Dauer, da sich die Tochter der Beklagten nebst Ehemann und Kindern dann erneut wieder fast jeden Tag über mehrere Stunden am Nachmittag in der Wohnung der Beklagten aufhielten, so beispielsweise auch nach der am 05.06.1992 erneut ausgesprochenen Kündigung in der Zeit vom 07.10.1992 bis 31.10.1992 an 22 Tagen durchschnittlich von 12.00 Uhr bis gegen 20.30 Uhr.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits kam es darauf an, ob damit ein vertragswidriger Gebrauch seitens der Beklagten vorlag, der ungeachtet der am 11.05.1992 erfolgten Abmahnung fortgesetzt wurde und damit die Rechte der Klägerin in erheblichen Maße verletzte (§ 553 Abs. 1 BGB).

Nach Ziffer 7 der dem Mietvertrag vom 27.04.1977 zugrundegelegten Allgemeinen Vertragsbestimmungen bedarf die unentgeltliche Aufnahme Dritter von angemessener Dauer (Besuch) keiner schriftlichen Einwilligung der Vermieterin. Andererseits kann die Vermieterin das Mietverhältnis ausweislich Ziffer 10 der benannten Vertragsbestimmungen ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen, wenn die Mieter ungeachtet einer Abmahnung der Vermieterin einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache fortsetzen, der die Rechte der Vermieterin in erheblichen Maße verletzt, insbesondere wenn sie einem Dritten den ihm überlassenen Gebrauch belassen.

Daraus folgt, daß grundsätzlich ein Mieter nicht gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt, wenn er nahe Familienangehörige und deren Kinder besuchsweise aufnimmt. Diese Befugnis findet ihre Grenze nach allgemeiner Auffassung jedoch dort, wo die Mieträume infolge deren Aufnahme auf Dauer überbelegt werden (BayOBLG RE Miet 8/82 vom 14.09.1983) und dadurch die Rechte des Vermieters in erheblichen Maße verletzt werden. Davon kann allerdings nicht schon bei jeder die Benutzerzahl der Wohnung überschreitenden Belegung die Rede sein. Vielmehr ist dies anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, insbesondere an dem Verhalten der die Wohnung nutzenden Personen und ob die die Benutzerzahl überschreitende Belegung mit der Größe und Einrichtung der Wohnung vereinbar ist (OLG Karlsruhe WuM 1987, 180).

Letzteres ist dann der Fall, wenn sich die Anzahl der Wohnungsbenutzer und der verfügbaren Räume nicht deckt und die konkreten Wohnverhältnisse nicht mehr als noch sozial üblich angesehen werden (Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 6. A., B 690).

Ausweislich der dem Mietvertrag zugrundegelegten Wohnungsbeschreibung besteht die von den Beklagten gemietete Wohnung aus 4 Zimmern, Küche, Bad mit WC. Unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Beweisaufnahme belegten somit zeitweise vier erwachsene Personen und drei Kinder die Wohnung. Objektiv deckte sich somit die Anzahl der verfügbaren Räume nicht mit der Anzahl der verfügbaren Räume.

Nach Auffassung des Gerichts können derartige Wohnverhältnisse nicht mehr als sozial üblich angesehen werden. Denn eine ursprünglich an zwei Personen vermietete und mit vier Zimmern ausgestattete Wohnung ist auf Dauer nur unzureichend geeignet, einer aus sieben Personen bestehenden Familie für einen längeren Zeitraum Wohnraum zu bieten. Diese konkrete Wohnungsnutzung ist mit deren Größe und Einrichtung als schlechterdings unvereinbar anzusehen. Dabei ist weniger allein die Anzahl der die Wohnung nutzenden Personen entscheidend, die noch in vertretbarem Rahmen liegt. Maßgeblich ist vielmehr die Dauer der Anwesenheit der Familienangehörigen der Beklagten über längere Zeiträume und in regelmäßigen, fast täglichen Intervallen. Hierbei noch von einem durch seine angemessene Dauer gekennzeichneten „Besuch” zu sprechen, würde d...

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