Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Rechtsschutz für das beabsichtigte Klageverfahren gegen Herrn Rechtsanwalt und Notar Dr. U aus N, aufgrund der von diesem angeblich begangenen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der fehlerhaften Zustellung des Rücktritts vom Erbvertrag des verstorbenen Vaters der Klägerin zu bewilligen, unter Berücksichtigung der von der Klägerin zu tragenden Selbstbeteiligung.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht eine Deckungszusage aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Rechtsschutzversicherung aus dem Jahre 1990 geltend. In § 3 Abs. 4 c) der geltenden ARB 94 ist geregelt, dass der Rechtsschutz nicht besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Ansprüchen oder Verbindlichkeiten, die nach Eintritt des Rechtsschutzfalles auf den Versicherungsnehmer übertragen wurden oder übergegangen sind.

Die Klägerin beabsichtigt, den Rechtsanwalt und Notar Dr. U aus N auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Der zwischenzeitlich verstorbene Vater der Klägerin hatte in einem Erbvertrag seine zweite Ehefrau zu seiner Alleinerbin eingesetzt. In dem Erbvertrag hatte er sich einen Rücktritt vorbehalten, den er in der Folgezeit auch erklärt und durch den Notar Dr. U hat beurkunden lassen. Der Notar hatte die Zustellung des Rücktritts an die Vertragspartnerin übernommen. Er übersandte jedoch lediglich eine beglaubigte Abschrift des notariell erklärten Rücktritts per Einschreiben.

Der Vater der Klägerin hat -auf die wirksame Zustellung des Rücktritts vertrauend- in einem neuen Testament die Klägerin zu seiner Alleinerbin eingesetzt.

Im Jahre 2005 verstarb der Vater der Klägerin und in der Folgezeit stellten sich die Zustellungsmängel hinsichtlich des Rücktritts heraus. Diese hatten zur Folge, dass die Wirkungen des Erbvertrages fortbestanden und die zweite Ehefrau anstelle der Klägerin Alleinerbin wurde.

Die Klägerin möchte Ansprüche gegen den Notar auf Grund der Verletzung einer sie als Dritte schützenden Amtspflicht geltend machen und begehrte von der Beklagten vergeblich eine Deckungszusage für den beabsichtigten Rechtsstreit.

Sie beantragt daher,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Rechtsschutz für das beabsichtigte Klageverfahren gegen Herrn Rechtsanwalt und Notar Dr. U aus N, auf Grund der von diesem begangenen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit der fehlerhaften Zustellung des Rücktritts vom Erbvertrag des verstorbenen Vaters der Klägerin zu bewilligen, unter Berücksichtigung der von der Klägerin zu tragenden Selbstbeteiligung.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die obengenannte Klausel in den Versicherungsbedingungen, nach der Rechtsschutz für Ansprüche aus übergegangenem Recht nicht gewährt wird. Sie ist der Ansicht, der Versicherungsfall sei bereits im Jahre 1997 (dem Jahr, in dem der erklärte Rücktritt fehlerhaft zugestellt wurde) eingetreten. Zu dieser Zeit sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen, Ansprüche gegen den Notar geltend zu machen und sie stütze sich daher auf Ansprüche aus übergegangenem Recht im Sinne der oben erwähnten Klausel unter § 3 Abs. 4 c der Versicherungsbedingungen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Die Beklagte kann sich nicht auf den Leistungsausschluss gemäß § 3 Abs. 4 c der Versicherungsbedingungen berufen.

Zum einen ist der Versicherungsfall entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits im Jahre 1997 eingetreten, da bis zum Tode des Vaters der Klägerin die wirksame Zustellung des Rücktritts von dem Erbvertrag jederzeit noch hätte bewirkt werden können, was zur Folge gehabt hätte, dass die Klägerin Alleinerbin geworden wäre. Es ist bis zum Tode des Vaters der Klägerin daher noch gar kein eigener Schadensersatzanspruch des Vaters gegen den Notar entstanden, der in der Folge durch den Tod auf die Klägerin hätte übergehen können.

Darüber hinaus macht die Klägerin aber auch ausdrücklich keine auf sie übergegangenen Rechte des Vaters, sondern eigene Schadensersatzansprüche geltend, da sie die Auffassung vertritt und diese zum Gegenstand der beabsichtigten Klage gemacht hat, dass durch die fehlerhafte Zustellung eine Amtspflicht des Notars verletzt wurde, die sie als Dritte im Sinne des § 539 BGB bzw. § 19 BNotO schützt. Es geht hier folglich nicht um übergegangene Ansprüche des Vaters, sondern um eigene, originär der Klägerin entstandene Ansprüche, so dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 c der Versicherungsbedingungen nicht erfüllt sind.

Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge des § 91 ZPO s...

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