Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Beschluss, durch den die Verwaltung ohne konkreten Anlass pauschal ermächtigt wird, einen Rechtsanwalt mit der Prüfung zu beauftragen, ob gegen einen Miteigentümer irgendwelche Ansprüche geltend gemacht werden könnten, widerspricht regelmäßig ordnungsgemäßer Verwaltung.

2. Ein Zustandsstörer haftet in der Regel dann auf Beseitigung, wenn er allein für den rechtswidrigen Zustand verantwortlich ist (BGH NZM 2010, 365 f.). Haftet dagegen neben ihm auch noch ein Handlungsstörer, ist regelmäßig nur dieser zur Beseitigung verpflichtet; der Zustandsstörer haftet daneben grundsätzlich nur auf Duldung der Beseitigung durch den Handlungsstörer (BGH NJW 2007, 432 f.).

3. Ein Abmahnbeschluss entspricht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn die erhobenen Vorwürfe hinreichend genau bezeichnet und überdies grundsätzlich dazu geeignet sind, als Grundlage für ein Entziehungsverfahren nach § 18 WEG zu dienen. Dagegen wird im Anfechtungsverfahren gegen den Abmahnbeschluss nicht geprüft, ob die erhobenen Vorwürfe zutreffen.

 

Verfahrensgang

AG Passau (Urteil vom 30.11.2009; Aktenzeichen 25 C 1907/09 WEG)

 

Nachgehend

OLG München (Urteil vom 17.01.2011; Aktenzeichen 19 U 3817/10)

 

Tenor

I. Das Urteil des Amtsgerichts Passau vom 30.11.2009 wird aufgehoben.

II. Folgende Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 17.02.2009 werden für ungültig erklärt:

Beschluss TOP 11.0 (Beauftragung eines Rechtsanwalts)

Beschluss TOP 18.0 (Beseitigungsverpflichtung)

Beschlüsse TOP 19.1., 19.2, 19.3 (Abmahnungen)

III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten beider Rechtszüge.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.720 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist begründet.

1. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts wurde die Anfechtungsfrist von den Klägern gewahrt.

Die Klage ist ausweislich des Klagerubrums gegen die übrigen Eigentümer gerichtet. Damit sind von vornherein die richtigen Beklagten verklagt worden. Die zunächst unvollständige Eigentümerliste ändert daran nichts, weil die Liste neben der richtigen Bezeichnung der beklagten Partei im Rubrum nur noch deklaratorischen Charakter hat (Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 44 Rz. 11) und deshalb entsprechend dem Rechtsgedanken des § 319 ZPO noch korrigiert werden kann (Bärmann/Wenzel, WEG, 10. Aufl., § 44 Rz. 17; Niedenführ, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 44 Rz. 11; Jennißen, WEG, § 44 Rz. 18; BayObLG NZM 2005, 110 für das FGG-Verfahren). Ein in der Liste zunächst nicht aufgeführter Eigentümer ist trotzdem von Anfang an Partei geworden (Bärmann/Wenzel, WEG, 10. Aufl., § 44 Rz. 17).

Die somit gegen die richtigen Beklagten erhobene Anfechtungsklage wurde vom Gericht dem Beklagtenvertreter, der sich bereits zuvor für „die Beklagten” bestellt hatte, alsbald zugestellt. Damit ist die Klage allen Beklagten rechtzeitig im Sinne von § 167 ZPO zugegangen. Die Bestellungsanzeige des Beklagtenvertreters kann nämlich nur so verstanden werden, dass dieser sämtliche übrigen Eigentümer vertrat; eine wie auch immer geartete Beschränkung auf nur einzelne Eigentümer lässt sich dem Schriftsatz des Beklagtenvertreters, der im Rubrum schlicht von den übrigen Miteigentümern der WEG als Beklagte spricht, nicht entnehmen.

2. Der angefochtene Beschluss TOP 11.0, wonach die Hausverwaltung ermächtigt wurde, einen Rechtsanwalt mit der Prüfung von Erfüllungs- und Schadensersatzansprüchen der WEG gegenüber dem Kläger zu 1) und einem weiteren Miteigentümer, insbesondere im Zusammenhang mit deren früheren Tätigkeit als Beiräten, zu beauftragen, widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 III WEG.

a) Eine Verwaltung ist ordnungsgemäß im Sinne von § 21 III WEG, wenn sie im Interesse aller Wohnungseigentümer auf die Erhaltung, Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden Gebrauch gerichtet ist (Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 21 Rz. 26; Vandenhouten, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 28). Dazu muss die Maßnahme bei objektiv vernünftiger Betrachtung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nützlich sein (Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 23; Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 21 Rz. 27; Vandenhouten, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 21 Rz. 28). Bei der Beurteilung, ob das der Fall ist, kommt den Eigentümern grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu (Spielbauer/Then, WEG, § 21 Rz. 23; Bärmann/Merle, WEG, 10. ...

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