Nachgehend

BGH (Urteil vom 09.02.2024; Aktenzeichen V ZR 33/23)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.08.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn, 211 C 47/21, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Sie fechten mit der vorliegenden Klage einen Beschluss an, der die Genehmigung einer baulichen Veränderung betrifft.

Die streitgegenständliche Wohnanlage besteht aus drei Häusern zu jeweils vier Wohnungen. Zwei Wohnungen eines Hauses befinden sich im Erdgeschoss bzw. Hochparterre, die beiden weiteren Wohnungen liegen im 1. Obergeschoss. Auf der hinteren Grundstücksseite befinden sich Gärten. Alle Wohnungen verfügen auf der Rückseite der Häuser über Balkone im Sinne einer Loggia. Durch Ergänzung der ursprünglichen Teilungserklärung wurden mit notarieller Urkunde vom 29.07.2002 Sondernutzungsrechte an der Gartenfläche gebildet, die konkrete Zuweisung der Flächen erfolgte mit Urkunde vom 09.12.2005. Ferner wurde in der letzten Ergänzungsurkunde geregelt, dass auf den Gartenflächen Terrassen von maximal 1/3 der Größe des Sondernutzungsrechts angelegt werden dürfen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Regelungen wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Kopien der Teilungserklärung und der Ergänzungsurkunden nebst Anlagen verwiesen (Bl. 29 ff und 112 ff der erstinstanzlichen GA). Vier der sechs Wohnungen in der Hochparterre haben vor ihrer Loggia eine gepflasterte Terrasse. Nur die beiden Eckwohnungen besitzen solche nicht. Alle sechs Wohnungen in der Hochparterre haben am Balkon eine kleine Treppe, bestehend aus vier Stufen, die auf die Terrasse bzw. in den Garten führt. Ergänzend wird wegen der Gestaltung der Örtlichkeit auf die zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder (Bl. 63 ff und 165 erstinst. GA, 84 ff Berufungsakte) Bezug genommen.

Auf der Eigentümerversammlung vom 14.10.2021 fassten die Wohnungseigentümer unter TOP 8 auf Antrag der Eigentümerin der im Erdgeschoss gelegenen Eckwohnung 32 mehrheitlich einen Beschluss, nach dem der Miteigentümerin als privilegierte Maßnahme nach § 20 Abs. 2 WEG unter Vorgaben die Errichtung einer in der Höhe auf rund 65 cm aufzuschüttenden Terrasse gestattet wurde, die Ersetzung des Doppelfensters im Wohnzimmer durch eine verschließbare Tür und die Erstellung einer Rampe. Neben dem Protokoll (Bl. 8 ff der erstinst. Akte) wird zur Verdeutlichung des Bauvorhabens auf die von der Beklagten vorgelegten Skizzen (Bl. 188 und 197 d. erstinst. GA) verwiesen.

Für die weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das amtsgerichtliche Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat den Beschluss zu TOP 8 für ungültig erklärt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Anspruch des Wohnungseigentümers nach § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG nur auf eine angemessene bauliche Veränderung gerichtet sei. Die vorliegend beschlossene Maßnahme sei im Hinblick auf den angestrebten privilegierten Zweck, behinderten Bewohnern einen Zugang zu der Wohneinheit zu ermöglichen, weder erforderlich noch angemessen. Selbst wenn ein behindertengerechter Zugang nicht durch das Treppenhaus, sondern nur über die Gartenseite herstellbar wäre, so sei ein Zugang auch dadurch herstellbar, dass eine Rampe oder ein Lift vom Gartenbereich auf den Balkon errichtet werde. Es bestünde bereits eine Treppe mit 4 Stufen vom Balkon der Antragstellerin in den Gartenbereich. An Stelle der Treppe oder neben dieser könne eine Rampe oder ein Treppenlift o.ä. errichtet werden. Für die Herstellung eines behindertengerechten Zugangs zur Wohneinheit sei es nicht notwendig, das Doppelfenster im Wohnzimmer durch eine Türanlage zu ersetzen und eine Terrasse vor dem Objekt aufzuschütten. Die Aufschüttung einer Terrasse würde eine Erhöhung des Wohnwertes darstellen. Von der umfangreichen Maßnahme gingen erhebliche Beeinträchtigungen der übrigen Eigentümer in Bezug auf die einheitliche Optik und Funktion der Anlage aus, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Nutzen stünde. Darüber hinaus sei der Beschluss in Teilbereichen nicht bestimmt genug. Zudem verstoße er gegen § 20 Abs. 4 WEG. Das Herausbrechen der Fensterfront nebst Einbau einer Türanlage mit einer auf einem Podest errichteten Terrasse und Zuwegung stelle eine erhebliche optische und funktionale Umgestaltung dar und gebe der Wohnungslage ein neues Gepräge bzw. neues Gesicht, zumal laut der Regelung unter Lit. f) jede andere Wohneinheit ebenfalls derartige Umbauten durchführen können solle.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt.

Sie meint, das Amtsgericht habe das seit dem 01.12.2020 geltende neue System der baulichen Veränderungen im Wohnungseigentumsrecht verkannt. § 20 Abs. 2 S. 2 WEG schränke den Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf bauliche Veränderung ein, sei aber nach Zustimmung der Wohnungseigent...

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