Leitsatz (amtlich)

Legt ein Schöffe am Nikolaustag vor Beginn des Verhandlungstages auf den regelmäßig von den Vertretern der Staatsanwaltschaft benutzten Sitzungstisch zwei "Schokoladenikoläuse", kann das die Besorgnis der Befangenheit begründen.

 

Tenor

Die Befangenheitsanträge der Angeklagten sind begründet.

 

Gründe

Mit Anklageschrift vom 25. Mai 2012 erhob die Staatsanwaltschaft Koblenz in dem Verfahren 2090 Js 29.752/10 -12 KLs gegen den Angeklagten X. und 25 Mitangeklagte Anklage zur 12. großen Strafkammer - Staatsschutzkammer - des Landgerichts Koblenz.

Den Angeklagten werden im Wesentlichen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung bzw. deren Unterstützung und weitere insb. im Rahmen der kriminellen Vereinigung begangene Straftaten zur Last gelegt.

Die Hauptverhandlung gegen die Angeklagten begann am 20. August 2012 und wurde zuletzt am 11.12.12 mit dem 27. Verhandlungstag fortgesetzt.

In diesem Termin lehnten die Angeklagten pp. den Schöffen Y. wegen Besorgnis der Befangenheit ab, der Angeklagte X. brachte seinen entsprechenden Befangenheitsantrag mit Schriftsatz seiner Verteidiger am 12.12.12 an.

Die Anträge werden damit begründet, dass der abgelehnte Schöffe vor Beginn des 26. Verhandlungstages - am 06.12.12 - den Sitzungssaal durch das Beratungszimmer betrat, auf den regelmäßig von den Vertretern der Staatsanwaltschaft benutzten Sitzungstisch zwei "Schokoladenikoläuse" legte und sodann den Sitzungssaal wieder verließ. Zu dieser Zeit war noch kein Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend.

Das in zulässiger Weise angebrachte Befangenheitsgesuch ist begründet.

Die von den ablehnenden Angeklagten zur Begründung angeführten Tatsachen rechtfertigen die Annahme der Besorgnis der Befangenheit des Schöffen (§§ 24, 31 StPO).

Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters und damit die Besorgnis der Befangenheit ist nur gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhaltes Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Goßner, StPO, 55. Auflage 2012, § 24 Rdnr. 8 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Schöffen (wie vor, § 31 Rdnr. 1 und 2).

Dabei ist entscheidend auf den nach außen deutlich gewordenen Eindruck von der inneren Haltung des Richters abzustellen (BGHSt 37, 298, 302 = NJW 1991, 1692), ohne dass dieser Eindruck tatsächlich der inneren Haltung des Richters entsprechen müsste (BGH NStZ-RR 2012, 211 f). Hierbei kommt es auch, aber nicht nur auf die Sicht des Ablehnenden an. Denn es genügt nicht allein das Misstrauen als rein subjektives Empfinden; dieses muss vielmehr gerechtfertigt, also in objektivierbaren Umständen begründet sein (individuell-objektiver Maßstab, vgl. BVerfGE 31, 145, 165 = NJW 1971, 2122; BGHSt 43, 16, 18 = NJW 1998, 550).

An diesen Grundsätzen gemessen stellt das Verhalten des abgelehnten Schöffen vor Beginn des 26. Verhandlungstages bei einer Gesamtschau einen Grund dar, der aus Sicht der ablehnenden- Angeklagten bei verständiger Würdigung geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 2 StPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI4019228

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