Leitsatz (amtlich)

Zur (verneinten) Besorgnis der Befangenheit, die mit einer Ungleichbehandlung der verschiedenen im Strafverfahren beteiligten Berufsgruppen beim Erlass einer sog. Sicherungsverfügung begründet ist (hier: nur Anordnung der Durchsuchung der Verteidiger vor Betreten des Sitzungssaals).

 

Tenor

Die von den Rechtsanwälten ... im Namen der Angeklagten Z. angebrachten Ablehnungsgesuche vorn 4. Mai 2013 und vom 6. Mai 2013 betreffend den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Götzl werden als unbegründet zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Ablehnungsgesuche sind zulässig, aber unbegründet. Eine Befangenheit des abgelehnten Richters ist nicht zu besorgen. Es liegen keine berechtigten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters vor.

1. Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Zwar ist das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes grundsätzlich vom Standpunkt des Ablehnenden, hier also der Angeklagten Z., zu beurteilen. Ob der Richter tatsächlich parteiisch oder befangen ist, spielt keine Rolle (Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 24 Rdn_ 6). Dies bedeutet allerdings nicht, dass nur die Einschätzung des Angeklagten maßgebend ist. Dieser muss vielmehr vernünftige Gründe für sein Ablehnungsbegehren vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchten (vgl. BGHSt 21, 334, 341 m.w.N.).

2. Ein Sachverhalt, der nach diesen Grundsätzen geeignet wäre, aus Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters zu begründen, ist nicht gegeben.

a) Die Verteidigung der Angeklagten Z. hat in der Hauptverhandlung vom 6. Mai 2013 das am Samstag, den 4. Mai 2013, um 18:59 Uhr per Telefax gestellte Ablehnungsgesuch wiederholt. Dieses Ablehnungsgesuch richtet sich gegen die in der Sicherheitsverfügung vom 4. März 2013 angeordnete und in der Folgezeit aufrechterhaltene Durchsuchung aller Verteidiger.

Die Verteidiger der Angeklagten Z. haben in ihrem Antrag insbesondere ausgeführt, eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Berufsgruppen, also der Verteidigung (Rechtsanwälte) einerseits, der Staatsanwaltschaft, des Justizpersonals und der Polizeibeamten andererseits, verbiete sich, weil diese genauso erpressbar seien. Die Durchsuchungen müssten daher auf alle Verfahrensbeteiligten erstreckt werden. Außerdem seien Rechtsanwälte Organe der Rechtspflege und ihnen komme ein besonderer Vertrauensvorschuss zu. Die die Rechtsanwälte betreffende Durchsuchungsanordnung stelle sie unter Generalverdacht, eine derart diskriminierende und desavouierende Haltung gegenüber den Verteidigern der Angeklagten Z. erschüttere das Vertrauen in eine Unvoreingenommenheit des abgelehnten Vorsitzenden zutiefst und rechtfertige daher dessen Ablehnung.

b) Der auf die sitzungspolizeilich angeordnete Durchsuchung der Verteidiger gestützte Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden ist jedenfalls unbegründet. Es liegen keine Gründe vor, die für einen verständigen Angeklagten geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters zu rechtfertigen. Denn hierfür genügt nicht das rein subjektive Empfinden des Angeklagten oder seines Verteidigers; das Misstrauen muss vielmehr gerechtfertigt, also in objektivierbaren Umständen begründet sein. Sofern der Verteidiger das im Namen des Angeklagten abgegebene Ablehnungsgesuch ausschließlich auf Vorgänge stützt, die das Verhältnis zwischen ihm und dem abgelehnten Richter betreffen, müssen die vorgetragenen Umstände geeignet sein, aus Sicht eines verständigen Angeklagten Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters ihm gegenüber zu rechtfertigen. Die Sichtweise des Verteidigers allein oder auch dessen Empfindung, diskriminiert zu werden, genügen nicht. Umstände, die auch für einen verständigen Angeklagten Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters ihm gegenüber rechtfertigen könnten, ergeben sich aus dem angegriffenen Inhalt der Sicherheitsverfügungen nicht.

Dort hat der Vorsitzende als tragende Erwägung angeführt, dass die Durchsuchung der Verteidiger aus Sicherheitsgründen erforderlich sei und in erster Linie dem Schutz der Verteidiger und ihrer Integrität sowie ihrer Stellung als unabhängige Organe der Rechtspflege diene. Er hat die Maßnahme auf konkrete Tatsachen gestützt und die, Gefährdungslage für die Verteidigung, die Angeklagten und die Angeklagte Z. im Besonderen dargelegt. So hat er erläutert, dass die Angeklagten als vorrangiges Angriffsziel für diejenigen in Betracht kämen, die die Übernahme der Verteidigung von Angeklagten, die sie der rechten Szene zurechneten, nicht billigten und diese Mißbilligung durch die- Begehung v...

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