Verfahrensgang

AG Kassel (Urteil vom 15.10.2001; Aktenzeichen 421 C 4169/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtgerichts Kassel vom 15.10.2001 – 421 C 4169/01 – aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht Kassel zurückverwiesen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgericht Kassel musste zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Kassel führen.

Soweit die angefochtene Entscheidung die Klage als unzulässig abgewiesen hat, so geht die Entscheidung fehl, denn die Klage ist zulässig. Zwar fehlte bei Eingang der Klage (9.08.2001), die zunächst auf Zahlung von 1245,00 DM gerichtet war, eine besondere Prozessvoraussetzung, denn gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Regelung der außergerichtlichen Streitschlichtung vom 6. Febr. 2001 (GVBl I 2001, 98 ff.) war vor Erhebung der Klage ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren durchzuführen. Die Klage ist aber sodann um 300, 00 DM erweitert worden, so dass sie nach Zustellung der Klageerweiterung nicht dem Anwendungsbereich des Schlichtungsgesetzes unterfiel, mithin zulässig war. Das Vorliegen einer solchen Prozessvoraussetzung ist von Amts wegen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu prüfen. Das Fehlen einer solchen besonderen Prozessvoraussetzung kann auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden, und zwar auch dann, wenn die Klage, der es im Zeitpunkt ihrer Anhängigkeit an einer besonderen Prozessvoraussetzung fehlt, sodann zugestellt und damit rechtshängig wird.

Nachdem die Klage zugestellt und ein früher erster Termin bestimmt war, wies das Amtsgericht auf das Fehlen der besonderen Prozessvoraussetzung hin, woraufhin die Klage um 300,00 DM auf 1545,00 DM erweitert wurde. Der Klageerweiterungsschriftsatz wurde zugestellt. Gleichwohl hat die angefochtene Entscheidung die so erweiterte Klage als unzulässig abgewiesen. Soweit die angefochtene Enscheidung ausführt, die Erweiterung der Klage sei rechtsmißbräuchlich, da mit der Klageerweiterung die Durchführung des Schlichtungsverfahrens umgangen werde, so geht diese Rechtsauffassung fehl. Nach Klageerweiterung war die Klage zulässig, denn ein Zulässigkeitshindernis im Sinne von § 1 Schlichtungsgesetz lag nicht mehr vor, da im Zeitpunkt der Zustellung der Klageerweiterung der Gegenstandswert über 1500,00 DM lag.

Zwar stellt die angefochtene Entscheidung zutreffend darauf ab, dass in diesen Fällen der Klageerweiterung nach Zustellung der zu diesem Zeitpunkt unzulässigen Klage zu prüfen ist, ob der Zulässigkeitsmangel im Sinne von § 1 Schlichtungsgesetz geheilt werden kann. Hierbei kann sich auch die Frage stellen, ob in einer Klageerweiterung nach Zustellung der Klage ein Rechtsmißbrauch zu sehen ist (offen gelassen von LG Baden-Baden, Urteil vom 28.06.2001, WuM, 2001, 560 f.). Grundsätzlich eröffnete § 264 Ziff. 2 ZPO in Verbindung mit § 261 Abs. 2 ZPO der Klägerin die Möglichkeit ihren Klageantrag zu erweitern. Übersteigt die so erweiterte Klage dann aber den im Sinne des Schlichtungsgesetzes maßgeblichen Betrag von 1500,00 DM, so fällt diese Klage nicht mehr in den Anwendungsbereich des Schlichtungsverfahrens (Deckers, in WuM 2002, 33 ff. Anm. zum Urteil des LG Baden-Baden vom 28.6.2001). Es kann offen bleiben, in welchen Fällen eine Erweiterung der zunächst unzulässigen Klage als ein Rechtsmißbrauch angesehen werden kann. Vorliegend hat die Klägerin nämlich in der Berufungsinstanz ihr Wertminderungsbegehren, das ihrer Klageerweiterung zugrunde liegt, auch darauf gestützt, dass auch die Fassung des Ringes durch eine erneute Bearbeitung, die im Rahmen der von ihr behaupteten Schadensbeseitigung erforderlich wird, durch Materialabtrag oder Biegen eine Wertminderung erleide. Zumindestens unter diesem Gesichtspunkt ist nicht offensichtlich von vornherein zu erkennen, dass sie sich eines offenkundig unschlüssigen weiteren Anspruchs im Rahmen des von ihr behaupteten Schadensereignisses berühmt, der lediglich deshalb klageerweiternd geltend gemacht wurde, um die Voraussetzungen des Schlichtungsverfahrens in rechtsmißbräuchlicher Weise zu umgehen. Insoweit kann dahinstehen, ob in Fällen, in denen eine aus obigen Gesichtspunkten unzulässige Klage nach Zustellung um offensichtlich von vornherein jeder Grundlage entbehrende Ansprüche erweitert wird, ein Rechtsmißbrauch vorliegt. Hier ist ein solcher jedenfalls nicht offensichtlich erkennbar, denn die von der Klägerin begehrte Wertminderung ist nicht von vornherein unschlüssig. Darüber hinaus bietet es sich an, in Fällen, in denen bei Klageerhebung das erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt ist, darauf hinzuwirken, dass Ruhen des Verfahrens herbeizuführen, um somit Gelegenheit zu geben, das Schlichtungsverfahrens nachzuholen. Eine sofortige Abweisung solcher Klagen als unzulässig trägt nicht dazu bei, die von dem Schlichtungsgesetz beabsichtigte Entlastung der Gerichte zu bewirken, denn die Erhe...

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