Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung in einer kommunalen Satzung, dass die Gemeinde für Schäden bei der Benutzung (hier: eines Kinderspielplatzes) nur aus Amtshaftung einzustehen habe, ist so auszulegen, dass das Benutzungsverhältnis damit öffentlich-rechtlich ausgestaltet wird und dadurch auch die Verkehrssicherungspflichten in öffentlich-rechtlicher Ausübung eines öffentlichen Amts erfüllt werden.

2. Gegenüber demjenigen, dem für ihn erkennbar kein Verkehr eröffnet wird (hier: erwachsener Benutzer einer durch Beschilderung nur für Kinder zugelassenen Röhrenrutsche), bestehen bei seiner unbefugten Nutzung grundsätzlich keine Verkehrssicherungspflichten (Abweichung von OLG Hamm vom 19.3.2009 - 6 U 157/08; Fortführung von BGH vom 11.12.1984 - VI ZR 292/82 und RGZ 87, 128).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

 

Tatbestand

Die beklagte Gemeinde betreibt als öffentliche Einrichtung den Kinderspielplatz A.-Straße in H. Dieser verfügt unter anderem über eine Rutsche (Lichtbild Anlage K 1), deren Rutschteil als umschlossener Querschnitt ausgebildet ist (sog. Tunnel- oder Röhrenrutsche). Der Boden ("Aufprallfläche") vor dem unteren Ende der Rutsche - dem "Auslaufteil" - ist mit Rindenmulch bedeckt. Auf der obersten Plattform des Turmes, auf dem die Rutsche beginnt, ist links oberhalb des Einsitzes ein Schild angebracht, auf dem die Piktogramme eines grünen Kindes unter den Zahlen 6 bis 15 und - durchgestrichen - eines orangenen Erwachsenen zu sehen sind. Rechts davon befinden sich zwei weitere Schilder, von denen eines einen Erwachsenen zeigt, der beim Rutschen ein Kind auf dem Schoß hält; dieses Piktogramm ist durchgestrichen.

Der am 22.5.1960 geborene Kläger behauptet, er sei am 3.10.2009 gemeinsam mit seinem Sohn die Röhrenrutsche herabgerutscht. Das Schild mit den Piktogrammen sei nicht vorhanden gewesen, jedenfalls habe er es nicht gesehen. Aufgrund der erzielten Geschwindigkeit habe er sich auf dem Auslaufteil nicht mehr rechtzeitig aufsetzen und deshalb nicht genügend abbremsen können. Er sei dadurch über das Auslaufteil hinausgeraten und mit dem Steiß in der mit Rindenmulch bedeckten Kuhle vor der Rutsche aufgetroffen. Dadurch habe er einen traumatischen Deckplattenimpressionsbruch LWK2 erlitten und sei für vier Monate arbeitsunfähig gewesen.

Der Kläger meint, die Beklagte sei ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Durch den sog. "Wegspieleffekt", dessen Folgen die Beklagte habe beseitigen müssen, sei die Höhe des Endes des Auslaufteils zur Rindenmulch-Aufprallfläche um 7 cm größer gewesen als nach der einschlägigen technischen Norm DIN EN 1176-3 zulässig (42 anstatt 35 cm). Die Beklagte sei zumindest ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen.

Der Kläger räumt ein, ihn habe hälftiges Mitverschulden getroffen.

Mit der Klage macht der Kläger auf dieser Basis Verdienstausfall, krankengymnastische Behandlung, Zuzahlungen, vorgerichtliche Anwaltsgebühren und Schmerzensgeld geltend, wobei er bei letzterem angesichts des Mitverschuldens 3.750 Euro für angemessen erachtet.

Der Kläger beantragt,

  • 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.11.2009,

  • 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.632,83 Euro zu zahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.11.2009,

  • 3.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 837,52 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

  • 4.

    festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu 50% zu ersetzen, die dem Kläger aufgrund des Unfalls am 3.10.2009 auf dem städtischen Spielplatz in der A.-Straße in H. nach Rechtshängigkeit noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen anderen Dritten übergegangen ist.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.)

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist auch insoweit eröffnet, als Ansprüche aus öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis in Frage kommen, § 17 Abs. 2 GVG.

2.)

Der Kläger kann jedoch von der Beklagten unter keinem Gesichtspunkt Schadensersatz wegen seines Unfalls verlangen.

a)

Die Beklagte haftet dem Kläger nicht aus unerlaubter Handlung.

(1)

Die Haftung der Beklagten richtet sich insoweit nicht nach § 823 BGB, sondern nach Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Die vera...

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