Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Ersatzansprüche des Vermieters gegen einen durch Baulärm störenden Nachbarn nach Mietminderung

 

Leitsatz (amtlich)

Wer zahlt bei Lärm?

Der Mieter einer Wohnung minderte seine Miete um 20 %, weil auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit viel Baulärm ein Einkaufszentrum errichtet wurde. Das Gericht bestätigte auch diesen Mietminderungsanspruch. Doch der Vermieter gab sich damit nicht zufrieden. Er hatte gleichzeitig gegen die Eigentümerin des Baugrundstückes auf Schadenersatz für die entgangene Miete geklagt. Vor dem Landgericht Hamburg (Az. 327 S 97/98) war er damit erfolgreich. Die Eigentümerin des Baugrundstückes mußte den Mietausfall bezahlen. Das Gericht war der Auffassung, daß zwar gewisse Lärmemissionen von jedermann zu dulden seien, doch wenn deswegen einem Eigentümer ein erheblicher Teil seiner Miete verlorengehe, dann überschreite dies die Grenzen des Zumutbaren.

 

Orientierungssatz

1. Hat der Mieter einer Eigentumswohnung die Miete berechtigt wegen Lärmimmissionen infolge von Bauarbeiten auf einem Nachbargrundstück (hier: um 20%) gemindert, hat der Eigentümer des Nachbargrundstücks die über die Zumutbarkeitsgrenze (hier: 6%) hinausgehende Mietzinsminderung auszugleichen. Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit des Ertragsverlustes für den Vermieter ist darauf abzustellen, ob das Mietgrundstück bzw die vermietete Eigentumswohnung noch wirtschaftlich betrieben werden kann. Die Zumutbarkeitsgrenze orientiert sich an der durchschnittlichen Nettorendite bei der Wohnungsvermietung.

2. Die Kosten eines gegen den mindernden Mieter geführten Prozesses kann der Vermieter nicht von dem Störer/Grundstücksnachbarn ersetzt verlangen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 906

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts Hamburg – 12 C 24/98 – vom 05. Mai 1998 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 2.380,00 (in Worten: Deutsche Mark zweitausenddreihundertachtzig 00/100) nebst 6,31 % Zinsen seit dem 5. Februar 1998 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 6/10 und die Beklagte 4/10.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

Dem Kläger steht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von DM 2.380,00 zu. Die Beklagte hat dem Kläger den Verlust an Mieteinnahmen, der ihm als Vermieter durch die Minderung der Mieter … und … von 20 % der Kaltmiete in Höhe von DM 850,00 monatlich in der Zeit von Juni 1994 bis Januar 1996 entstanden ist, insoweit nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu ersetzen, als durch die Lärmbelästigungen während der Bauarbeiten an dem gegenüber gelegenen Einkaufszentrum seitens der Beklagten die „ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt” worden ist. Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend eine Beeinträchtigung über das zumutbare Maß gegeben, wenn durch die Immissionen vom Nachbargrundstück der Beklagten der monatliche Mietertrag für den Kläger als Vermieter um mehr als 6 % verringert wird. Der Differenzbetrag von 14 % der monatlichen Mietminderung ist von der Beklagten als Störerin auszugleichen. 14 % von der monatlichen Kaltmiete ergeben einen auszugleichenden Betrag von DM 119,00 monatlich, mithin für den gesamten Minderungszeitraum von 20 Monaten einen Gesamtentschädigungsbetrag in Höhe von DM 2.380,00.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sind vorliegend gegeben. Durch die im Zusammenhang mit der Errichtung des Einkaufszentrums der Beklagten entstandenen Lärmbelästigungen der gegenüber gelegenen Wohnung der Mieter des Klägers ist das Grundstück des Klägers wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB beeinträchtigt worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts Hamburg-Altona in dem zwischen dem Kläger und den Mietern … und … geführten Rechtsstreit um die Berechtigung der Mietminderung ist zwischen den Parteien vorliegend unstreitig, daß die Mieter des Klägers aufgrund der erheblichen Lärmstörungen durch die Bauarbeiten die Miete für den streitgegenständlichen Zeitraum in zulässiger Weise um 20 % kürzen durften. In dem Ertragsverlust eines gewerblich genutzten Grundstücks um 20 % ist eine wesentliche Beeinträchtigung zu sehen. Die Beeinträchtigung ist auch durch eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten herbeigeführt worden. Die Ortsüblichkeit der Bauarbeiten ergibt sich zwanglos daraus, daß das Grundstück der Beklagten unstreitig öffentlich-rechtlich als Baugrundstück ausgewiesen worden war und der Beklagten eine entsprechende Baugenehmigung erteilt worden ist. Nicht dargelegt ist, daß der Baulärm durch Maßnahmen hätte verhindert werden können, die wirtschaftlich zumutbar waren. Der für den Kläger d...

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