Gründe

I.

Am 13.11.2006 wurde Rechtsanwalt H. dem Zeugen L. gem. § 68b StPO als Beistand beigeordnet. Er hat diesen in dem früher gegen den Zeugen selbst geführten Strafverfahren verteidigt. Die Vernehmung des Zeugen wurde an vier Hauptverhandlungstagen durchgeführt, und zwar am 20.11.2006 von 15.21 Uhr bis 17.07 Uhr, am 21.11.2006 von 09.17 Uhr bis 12.10 Uhr, am 05.12.2006 von 09.10 Uhr bis 16.35 Uhr und am 08.12.2006 von 09.10 Uhr bis 15.33 Uhr.

Rechtsanwalt H. hat beantragt, die Gebühren für seine Tätigkeit als beigeordneter Zeugenbeistand wie folgt festzusetzen:

1. Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 162,00 Euro

2. Verfahrensgebühr Nr. 4119 VV RVG 322,00 Euro

3. Terminsgebühr für vier Hauptverhandlungstage -

jeweils Nr. 4121 VV RVG 1.736,00 Euro

4. Zusatzgebühr gem. Nr. 4122 VV RVG für die Verhandlung

am 5. und 8.12.2006 356,00 Euro

5. Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro

Zwischensumme netto 2.596,00 Euro

zzgl. 16 % Umsatzsteuer-Nr. 7008 VV RVG 416,36 Euro

insgesamt 3.011,36 Euro.

Am 18.12.2006 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 779,52 Euro fest. Dabei wurde für jeden Verhandlungstag die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG, mithin pro Termin 168,00 Euro, als erstattungsfähig anerkannt, ausweislich der Gründe der Festsetzungsentscheidung sollte zudem die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag anerkannt werden, tatsächlich ergibt sich der festgesetzte Betrag nur ohne den Ansatz der Auslagenpauschale.

Gegen diese, ihm am 21.12.2006 zugestellte Entscheidung hat der Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 22.12.2006, eingegangen beim Landgericht Dresden am 27.12.2006 Erinnerung eingelegt. Dieser hat die Urkundsbeamtin mit Beschluss vom 06.02.2007 nicht abgeholfen und die Erinnerung der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Dresden, die ihrerseits gegen viermaligen Ansatz der Einzelgebühr Erinnerung eingelegt hat, bzgl. derer die Urkundsbeamtin im Hinblick auf die hiesige Entscheidung noch keine Abhilfeentscheidung getroffen hat, vertritt die Auffassung, die Beiordnung sei ihrer Rechtsgrundlage, dem § 68b StPO, gemäß dahingehend auszulegen, dass sie lediglich "für die Dauer der Vernehmung", mithin für eine Einzeltätigkeit erfolgt sei. Die Erstreckung der Vernehmung über vier Tage könne nur im Rahmen der Bewilligung einer Pauschalvergütung Rechnung getragen werden.

Der Erinnerungsführer, der ergänzend vorträgt, er habe den Zeugen zur Vorbereitung der Vernehmung in der JVA Waldheim aufgesucht, führt gegen diese Auffassung die Begründung des Gesetzes, nach der ein Zeugenbeistand künftig wie ein Verteidiger vergütete werden solle, ins Feld.

II.

Über die zulässige Erinnerung des Rechtsanwalts hat ungeachtet der über § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG entsprechend anwendbaren Regelung des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG die Kammer und nicht eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden. Die Kammer folgt insoweit der von den obersten Bundesgerichten mehrheitlich vertretenen Auffassung, dass die gesetzliche Zuweisung an einen Einzelrichter nur dann beachtlich ist, wenn das Gerichtsverfassungsgesetz für derartige Spruchkörper das Tätigwerden eines Einzelrichters institutionell überhaupt zulässt (BGH NStZ 2006, 239 - 2. Strafsenat -; BGH RPfl 2005, 279 - 5. Zivilsenat -; BFHE 209, 422 f. - wohl a.A. BVerwG NJW 2006, 1450; ohne Diskussion des Problems für Einzelrichter-Zuständigkeit: OLG Köln NStZ 2006, 410; inzident auch OLG Koblenz NStZ-RR 2006, 254 und OLG Schleswig NStZ-RR 2007, 126). Anders als § 75 GVG für die Zivilkammern enthält § 76 GVG für die Strafkammern einen Vorbehalt zur Begründung der Zuständigkeit des Einzelrichters durch die Prozessgesetze nicht.

Die Erinnerung ist dem Grunde nach insoweit begründet, als der Erinnerungsführer die Vergütung nicht nur für eine Einzeltätigkeit gem. § 4301 Nr. 4 VV RVG, sondern entsprechend den Regelungen für einen Verteidiger zu beanspruchen hat.

1. Nach Absatz 1 der Vorbemerkung 4 des VV RVG (zum 4. Teil-Strafverfahren) sind die Vorschriften dieses Teils für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand entsprechend anwendbar. Bereits diese Gleichstellungsklausel legt es nahe, dass die - typischerweise in der Hauptverhandlung zu leistende - Tätigkeit des Zeugenbeistandes nicht (lediglich) als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG vergütet werden soll.

Ein derartiger Leerlauf der Gleichstellungsklausel würde dem in der Entwurfsbegründung klar artikulierten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Dort heißt es: "Neu ist, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. ... Damit sollen erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden." (BT-Drs. 15/1971, S. 220). Dieser beabsichtigten Aufwertung der Tätigkeit des Zeugenbeistandes durch eine Angleich...

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