Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Umdeutung der Kündigung einer Wohnung in vom Vermieter mitbewohnten Zweifamilienhaus in eine Teilkündigung eines Zimmers. Wohnraummiete: Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung eines Zimmers der von einem betagten Mieter bewohnten Wohnung

 

Orientierungssatz

1. Ist die Kündigung einer Wohnung in einem Zweifamilienhaus ausdrücklich auf BGB § 564b Abs 4 gestützt worden, hat also der Vermieter sein erleichtertes Sonderkündigungsrecht ausgeübt, kann diese Kündigung nicht hilfsweise in eine Teilkündigung betreffend ein Zimmer der Wohnung umgedeutet werden.

2. Selbst unterstellt, die ausgesprochene Kündigung stelle als Minus eine Teilkündigung dar bzw könne in eine solche wegen anzuerkennenden Eigenbedarfs an einem Zimmer (zwecks dessen Nutzung als Kinderzimmer) umgedeutet werden, ist diese unwirksam, wenn der Vermieter in einem Zeitpunkt, in dem sein Eigenbedarf bereits erkennbar war, einen von dem Mieter abgetretenen Mansardenraum zur Fremdvermietung nutzte. Auch ist ein von dem 86jährigen Mieter geltend gemachte Bedarf an einer 3 1/2-Zimmer-Wohnung mit 116 qm Größe nicht zu beanstanden, wenn ernsthaft damit gerechnet werden muß, daß die Aufnahme einer Pflegeperson in die Wohnung notwendig wird.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlußberufung der Klägerin das am 07.09.1998 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Das Mietverhältnis bezüglich der von der Beklagten innegehaltenen Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses ... in ... wird insgesamt auf unbestimmte Zeit fortgesetzt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet, dagegen hat die mit der Anschlußberufung hilfsweise geltend gemachte Klage auf Herausgabe und Räumung eines Zimmers zum 31.08.1999 keinen Erfolg. Der Klägerin steht auf der Grundlage der beiden Kündigungen vom 26.02.1997 und vom 25.08.1998 kein Anspruch auf Räumung des einen konkret bezeichneten Zimmers der Wohnung der Beklagten gem. § 556 BGB zu. Bereits das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung der gesamten Wohnung der Beklagten abgewiesen, da hier die Interessen der Beklagten bei der vorzunehmenden Abwägung gem. § 556 a BGB vorrangig sind und deshalb das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen ist. Dies ist von der Klägerin grundsätzlich akzeptiert und insoweit das Urteil nicht angegriffen worden. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann die Klägerin jedoch auch weder auf der Grundlage der Kündigung vom 26.02.1997 noch auf der Grundlage der neuen und erst in zweiter Instanz eingeführten Kündigung vom 25.08.1998 Räumung und Herausgabe des einen konkret bezeichneten Zimmers der Wohnung der Beklagten gem. § 556 BGB verlangen. Dies hat demnach zur Folge, daß gem. § 556 a BGB das Mietverhältnis zwischen den Parteien bezüglich der gesamten Wohnung auf unbestimmte Zeit fortzusetzen und dies im Tenor der Entscheidung auszusprechen ist.

I.

Auf die Kündigung vom 26.02.1997 kann der Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin bezüglich des einen Raumes der Wohnung der Beklagten bereits aus formellen und formalen Gründen nicht gestützt werden.

1. Zunächst enthält nach Auffassung der Kammer entgegen der Meinung des Amtsgerichts die Kündigung vom 26.02.1997 nicht als Minus auch eine Teilkündigung nur bezüglich des hilfsweise herausverlangten einen Raumes bzw. kann diese Kündigung nicht in eine solche Teilkündigung wegen eines Teilbedarfes umgedeutet werden.

Grundsätzlich besteht kein Zweifel, daß die Kündigung einer gesamten Wohnung z.B. wegen Eigenbedarfs als Minus eine Teilkündigung enthalten kann, wenn insoweit lediglich ein Teilbedarf geltend gemacht wird. Die Besonderheit besteht hier jedoch darin, daß die Klägerin im Kündigungsschreiben vom 26.02.1997 ausdrücklich gem. § 564 b Abs. 4 BGB gekündigt hat. Damit hat die Klägerin also ohne Begründungserfordernis ein erleichtertes Sonderkündigungsrecht ausgeübt. Der Sinn und Zweck dieser Ausnahmeregelung besteht jedoch darin, daß in einem Wohngebäude mit nur zwei Wohnungen - oder gegebenenfalls auch drei Wohnungen - Vermieter und Mieter regelmäßig in "enger Tuchfühlung" zusammenleben, so daß ein störungsfreies Zusammenleben ohne Streitigkeiten hier von weitaus größerer Bedeutung ist, als bei einer größeren und damit anonymeren Hausgemeinschaft. Je kleiner die Hausgemeinschaft ist, desto stärker und nachhaltiger werden sie von persönlichen Differenzen belastet, zumal hier angesichts des engen Zusammenlebens auch ein wesentlich häufigeres Zusammentreffen anzunehmen ist (vgl. dazu z.B. Urteil der Kammer vom 11.01.1994 AZ: 9 S 337/93; OLG Karlsruhe WuM 1992, 49 (50); OLG Saarbrücken WuM 1992, 520 (523)). Diese erleichterte Beendigungsmöglichkeit für den Vermieter bei besonders engem Zusammenwohnen und dadurch möglicherweise entstandenen Sp...

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