Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebskostenabrechnung im sozialen Wohnungsbau. Mitwirkungspflicht des Mieters bei Wohnungsbesichtigung

 

Orientierungssatz

1. Eine Nebenkostenabrechnung muß eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben bei gleichzeitiger übersichtlicher Darstellung der Daten zur Umlegungsberechnung enthalten. Die Abrechnung muß die einzelnen Betriebskostenarten benennen, den Abrechnungszeitraum und den Umlegungsmaßstab und die Berechnung der Umlegung selbst.

2. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, kostendeckende Betriebskostenvorschüsse anzufordern. Sind Vorschüsse vereinbart, die die tatsächlich entstandenen Kosten bei weitem nicht decken, so schließt dies einen Nachforderungsanspruch des Vermieters nicht aus. Die bloße Vereinbarung von Vorschüssen begründet keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, daß die Vorschüsse in etwa deckend sein werden (Anschluß OLG Stuttgart, 1982-08-10, 8 REMiet 6/81, NJW 1982, 2506).

3. Die in NMV § 20 Abs 3 S 3 J: 1970 enthaltene Neunmonatsfrist ist keine Ausschlußfrist.

4. Die Besichtigung der Wohnung durch den Vermieter ist eine erhebliche Beeinträchtigung der persönlichen Sphäre des Mieters. Dem Mieter ist daher im Rahmen des Zumutbaren bei der Bestimmung des Termins weitestgehend ein Mitwirkungs- und Dispositionsrecht einzuräumen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlußberufung der Beklagten wird das am 24. November 1988 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tiergarten - 9 C 317/88 - teilweise geändert und neu gefaßt:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 3.649,33 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.820,86 DM seit dem 1. April 1988 und aus 1.828,47 seit dem 21. Mai 1988 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Anschlußberufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Beklagten als Gesamtschuldner 11/12 und die Klägerin 1/12, von denen des zweiten Rechtszuges die Beklagten als Gesamtschuldner 7/8 und die Klägerin 1/8 zu tragen.

 

Tatbestand

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Tiergarten den Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Betriebskostenabrechnungsbetrages für 1985/86 von 1.828,47 DM sowie Betriebskostenvorschußerhöhungsbeträge für Mai bis September 1988 von insgesamt 760,- DM abgewiesen. Es hat ferner u. a. Mietzinsen (Minderungsbeträge) für die Monate Januar 1988 von 66,65 DM pro Monat zuerkannt.

Mit der zulässigen Berufung wendet die Klägerin sich gegen die Abweisung, wohingegen die Beklagten hinsichtlich der nicht anerkannten Minderung der Berufung sich angeschlossen haben.

Die Parteien beantragen jeweils Änderung des Urteils und weitere Verurteilung gemäß der Klage bzw. deren Abweisung.

Nach Hinweis der Kammer im Berufungstermin auf das in der Parallelsache der Klägerin (- 29 S 106/88 - = 9 C 312/88 AG Tiergarten) gegen die Mieter ... durch Vernehmung der Zeugin ... vorhandene Beweisergebnis, haben die Beklagten den Streit hinsichtlich der Ansprüche auf Zahlung von Betriebskosten auf die schon in erster Instanz streitigen Rechtsfragen beschränkt.

Von der Darstellung des Tatbestandes im übrigen sieht die Kammer gemäß § 543 Abs. 1 ZPO ab.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat in vollem Umfange, die Anschlußberufung nur in Höhe von 398,70 DM Erfolg.

Die Beklagten sind gemäß der Vereinbarung in § 3 des Mietvertrages in Verbindung mit § 20 NVO 1970 nach Maßgabe der Betriebskostenabrechnung vom 26. April 1988 verpflichtet, den aus der Abrechnung sich ergebenden Betrag von 1.828,47 DM an die Klägerin zu zahlen.

Der Zahlungsanspruch entfällt nicht deshalb, weil die Abrechnung erst im April 1988 den Beklagten erteilt worden ist. Denn die in § 20 Abs. 3 Satz 3 NVO 1970 enthaltene Neunmonatsfrist ist keine Ausschlußfrist (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht. Bd. 4, NVO 1970 § 20, Seite 32, 33) und die Dreimonatsfrist des § 10 Abs. 2 Satz 3 WoBindG, der nach §§ 20 Abs. 4, 4 Abs. 7 und 8 NVO 1970 grundsätzlich entsprechend anzuwenden ist schließt die Nachforderung eines Betriebskostenbetrages nicht aus, wenn diese Kosten im Umlageverfahren verteilt worden sind und ein Abrechnungsbetrag verlangt wird (vgl. BGH WuM 1984, 185).

Die Abrechnung entspricht dem § 259 BGB, denn sie enthält eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen (Vorschüsse) und Ausgaben (einzelne Betriebskosten) bei gleichzeitiger übersichtlicher Darstellung der Daten zur Umlegungsberechnung.

Darüberhinaus genügt sie auch den Erfordernissen des Mietpreisrechts gemäß § 20 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 4 Abs. 7 und 8 sowie § 10 Abs. 1 WoBindG. Die Abrechnung benennt die einzelnen Betriebskostenarten, den Abrechnungszeitraum, den Umlegungsmaßstab und die Berechnung der Umlegung. Diese Angaben reichen aus .

Soweit die nur entsprechend anzuwendenden Preisrechtsbestimmungen, die direkt nur auf Mieterhöhungen mit rechtsgestaltender Wirkung anzuwenden sind, überdies eine Erläuterung fordern, kann dahingestellt bleiben, ob im Rahmen der bloßen analogen Anwendung dieses Merkmal auch ...

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