Entscheidungsstichwort (Thema)

Mieterhöhung für Wohnraum: Widerlegung der Vermutungswirkung eines qualifizierten Mietspiegels bei Zugang des Erhöhungsverlangen vor Mietspiegelveröffentlichung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist dem Mieter die Mieterhöhungserklärung vor der Veröffentlichung des qualifizierten Mietspiegels zugegangen, so gilt die Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB, daß die darin aufgeführten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben, gemäß Art. 229 § 3 Abs. 5 Satz 3 EGBGB nicht.

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 30.03.2004; Aktenzeichen 5 StR 69/04)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 18. Februar 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg - 208 C 489/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Von der Darstellung der in § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Angaben wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Für das Verfahren ist gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO die ZPO in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, da die mündliche Verhandlung, auf der die angefochtene Entscheidung beruht, nach diesem Datum stattgefunden hat und geschlossen worden ist.

I. Die statthafte (§ 511 Abs. 1 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer erreichende (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 517, 519, 520 ZPO) Berufung ist zulässig.

II. Nachdem die Klägerin zu 1) die Klage zurückgenommen hat, weil nur der Kläger zu 2) als Testamentsvollstrecker prozessführungsbefugt ist (vgl. Palandt/Edenhofer, Kommentar zum BGB, 61. Aufl., § 2197 Rn. 11; Zöller/Vollkommer, Kommentar zur ZPO; 23. Aufl., § 51 Rn. 7), ist die allein vom Kläger zu 2) (im Folgenden nur noch der Kläger) fortgeführte Berufung unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung per 1. November 2002 gemäß § 558 Abs. 1 S. 1 BGB (n.F.) nicht zu.

Die vom Kläger begehrte Bruttokaltmiete von 316,48 € übersteigt die üblichen Entgelte, die in Berlin für nicht preisgebundenen Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten vier Jahren vereinbart oder geändert worden sind (§ 558 Abs. 2 S. 1 BGB n.F.), weshalb die Berufung keinen Erfolg hat. Der ortsübliche Vergleichsmietzins für die von der Beklagten innegehaltene Wohnung beträgt nach dem Gutachten des Sachverständigen B. lediglich (bruttokalt) 271,33 € und liegt damit unter der von der Beklagten bereits gezahlten Miete, weshalb die Berufung in vollem Umfang keinen Erfolg hat.

Das Gutachten ist zutreffend und nachvollziehbar erläutert sowie verwertbar; es hält den Angriffen des Klägers stand. Der Sachverständige hat in seinen Gutachten nachvollziehbar und überzeugend erläutert, wie er im Einzelnen die streitgegenständliche Wohnung bewertet hat. Soweit der Kläger beanstandet hat, dass die Vergleichswohnung nicht vergleichbar seien, weil deren Wohnfläche erheblich größer sei als die der streitbefangenen Wohnung, hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass die Anzahl der Zimmer für den Mietpreis entscheidender ist als die absolute Größe der Wohnung. Obwohl Wohnung der Beklagten mit zwei Zimmern eher eine kleine Fläche aufweise, die für eine Ein-Zimmer-Wohnung typisch sei, käme es beim Vergleich mit gleichgroßen (Ein-Zimmer-)Wohnungen zu Verwerfungen. Denn die Ein-Zimmer-Wohnungen seien mit Zwei-Zimmer-Wohnungen nicht vergleichbar. Im Übrigen ist es nachvollziehbar erläutert, wenn der Sachverständige den Flächenunterschied (Durchschnitt 55,00 m², streitbefangene Wohnung 43,00 m²) für so gering hält, als dass messbare Einflüsse vorhanden seien.

Die Bewertung der Gebäudeerscheinung hat der Sachverständige ebenfalls verständlich erläutert. Dabei hat er die schlichtere Fassade des Vergleichsobjektes C.-straße berücksichtigt und geringer bewertet. Den vorhandenen Kellerraum und Stellplatz hat der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt, wie sich bereits dem Gutachten (S. 4) entnehmen lässt. Dass sich der vorhandene Kellerraum nicht mieterhöhend auswirkt, weil er als selbstverständlich vorausgesetzt wird und nur sein Fehlen zu einem Abzug, das Vorhandensein jedoch nicht zu einer Erhöhung führt, hat der Sachverständige gleichfalls nachvollziehbar und überzeugend erläutert.

Die Kammer vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass ein Gutachten dem Mietspiegel vorzuziehen ist, da das Gutachten besser als der Mietspiegel die Besonderheiten jeder Wohnung berücksichtigen kann und aufgrund der individuellen Auswahl der Vergleichswohnung eine bessere Vergleichbarkeit gewährleistet, weshalb auch im vorliegenden Fall ein Gutachten eingeholt worden ist. Die Frage, ob der Mietspiegel ein geeignetes Mittel zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete darstellt, ist nach wie vor eine Frage der Würdigung im Sinne von § 286 ZPO (vgl. Kinne/Schach, Miet- und Mietprozessrecht, 3. Aufl., Teil I § 558 a Rn. 12 a.E.). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei dem f...

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