Rz. 687

Im Unternehmerverkehr unterliegen Vertragsstrafenklauseln der Inhaltskontrolle ­gemäß § 307 BGB.[1374] Dabei ist allerdings die größere Geschäftsgewandtheit von Unternehmern zu berück­sichtigen.[1375]

 

Rz. 688

Hinsichtlich der formularmäßigen Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall einer Verletzung der Ausschließlichkeitsbindung bestehen grundsätzlich keine Wirksamkeitsbedenken. Der Getränkelieferant hat das Recht, seine Rechte aus der Bezugsbindung des Kunden durch eine Vertragsstrafe abzusichern.[1376]

 

Rz. 689

Nur vereinzelt enthalten Getränkelieferungsverträge Schadensersatz- und Vertragsstrafenklauseln nebeneinander. Dann ist die Anrechnungspflicht nach §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB zu beachten, unabhängig davon, ob Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder wegen Schlechterfüllung verlangt wird.[1377] Eine unzulässige Kumulation von Schadensersatzanspruch bei Minderabnahme und Vertragsstrafe bei Fremdbezug liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn in der Vertragsstrafenregelung eine Anrechnung des geschuldeten Schadenersatzes vorgesehen ist.[1378]

 

Rz. 690

Aus der Höhe einer Vertragsstrafe kann sich ihre Unangemessenheit ergeben. Zwar darf die Vertragsstrafe spürbar sein, um ihren Zweck als Druckmittel zu erfüllen. Sie darf aber nicht die wirtschaftliche Existenz des Vertragspartners gefährden oder in einer unangemessenen Relation zum Gewicht der Vertragsverletzung stehen.[1379] Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit begegnet die Vertragsstrafe jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn sie den Gewinn bei vertragsgemäßem Verhalten nicht übersteigt. Die Vertragsstrafe darf nämlich nicht der Schöpfung neuer Geldquellen des Verwenders dienen.[1380]

 

Rz. 691

Eine vorformulierte, zu hoch bemessene Vertragsstrafe ist nichtig. Sie kann nicht nach den allein auf Individualvereinbarungen zugeschnittenen Regeln des § 343 Abs. 1 BGB herabgesetzt werden, weil dies eine der AGB-Kontrolle wesensfremde Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles erforderte.[1381] § 348 HGB schließt die Anwendbarkeit von § 343 BGB ohnehin aus.[1382] Eine Herabsetzung nach § 343 BGB kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil diese eine grundsätzlich wirksame, nur für die konkrete Störung zu hohe Vertragsstrafenvereinbarung voraussetzt. Auch bestünde die Gefahr, dass das Gesetz leerlaufen würde.[1383]

 

Rz. 692

Angesichts der für AGB-Bestimmungen gebotenen abstrakt-generellen Wirksamkeitskontrolle führt die zu weit gehende Regelung auch dann zur Nichtigkeit der gesamten Klausel, wenn in der konkreten Fallgestaltung die hohe Vertragsstrafe sogar angemessen sein könnte. Denn eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch vertretbare Regelmaß lässt sich nicht durch eine sprachliche Trennung der Klausel herstellen und kommt im Übrigen nicht in Betracht.[1384]

[1374] BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64; BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180. Zu den Teilaspekten Transparenzgebot und Kumulationsverbot in diesem Zusammenhang vgl. Bühler, § 18 II 6 Rn 2.689–2.695 m.w.N.
[1375] BT-Drucks 7/3919, 14.
[1376] BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309; BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158; OLG Nürnberg, Urt. v. 22.2.1973 – 2 U 98/72, NJW 1973, 1974.
[1377] BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 (Auto­maten­­aufstellvertrag); BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 (Automatenaufstellvertrag); OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912.
[1378] OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08.
[1381] OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513.
[1382] OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1984 – 11 U 6/84.
[1383] BGH, Urt. v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805; OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513.
[1384] OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge