Leitsatz

Der Senat neigt dazu, die Sicherheitsvorschrift des § 9 Nr. 2b VGB 62, in nicht benutzten Gebäuden die Wasserleitungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten, nach dem Verständnis des durchschnittlichen VN dahin auszulegen, dass sie nicht nur Schäden durch Nichtbeheizen während der Frostperiode vorbeugen soll, sondern auch Schäden durch Vandalismus oder Materialermüdung zu allen Jahreszeiten.

Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Nichtbeachtung der Sicherheitsvorschriften tritt abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG nach § 9 Nr. 1 Satz 2 VGB 62 nur ein, wenn der Versicherer den Beweis eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Fehlverhaltens des VN einschließlich seiner Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Sicherheitsvorschrift führt.

 

Normenkette

§ 9 Nr. 1 Satz 2 VGB 62, § 9 Nr. 2b VGB 62

 

Sachverhalt

Die Kl. hatten das bei der Bekl. versicherte Gebäude gekauft und nahmen die Bekl. wegen eines Leitungswasserschadens in Anspruch. Die Bekl. erklärte sich für leistungsfrei, weil die Kl. in dem nicht benutzten Gebäude nicht die Wasserleitungen abgesperrt hätten.

Das OLG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Die Bekl. ist nach der Entscheidung des OLG nicht leistungsfrei, weil die Kl. vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die aus § 9 Nr. 2b VGB 62 folgende Sicherheitsvorschrift, Wasserleitungen in nicht benutzten Gebäuden abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten, verstoßen hätten.

Ungeachtet der Entscheidung des BGH v. 03.12.1975 (VersR 76, 134), der das LG gefolgt sei, gingen die Instanzgerichte und die Literatur mehrheitlich davon aus, dass der VN der zitierten Sicherheitsvorschrift schon dadurch genüge, dass er leer stehende Gebäude während der kalten Jahreszeit ausreichend beheize. Wenngleich der mittlerweile herrschenden Meinung zuzugestehen sei, dass der Begriff "unbenutzt" relativ unbestimmt sei, bleibe aber fraglich, ob der durchschnittliche VN, auf dessen Sichtweise bei der Auslegung von AVB stets abzustellen sei, die Klausel wirklich dahingehend verstehe, das "unbenutzt" und "unbeheizt" gleichbedeutend seien. Deshalb liege es aus der Sicht des Senats näher, die Sicherheitsbestimmung wörtlich zu nehmen und in dem Sinn auszulegen, dass dadurch nicht nur Frostauswirkungen, sondern auch Schäden durch Vandalismus oder Materialermüdung, die durch Beheizung nicht zu vermeiden seien, vorgebeugt werden solle.

Das könne im Streitfall jedoch dahinstehen, weil ein grob fahrlässiges Fehlverhalten der Kl. … nicht feststehe. Anders als nach § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG schade dem VN gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 VGB 62 nur grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz, wobei dafür - ebenfalls abweichend von § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG - der Versicherer die Beweislast trage … Diesen Nachweis habe die Bekl. nicht geführt.

Für ein vorsätzliches Fehlverhalten bestünden im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte. Ebenso wenig sei aber auch grob fahrlässiges Versäumnis feststellbar. Dass die Kl. die einschlägige Sicherheitsvorschrift gekannt hätten, behauptet die Bekl. nicht. Eine bewusste Fahrlässigkeit scheide damit bereits von vornherein aus. Nicht gerechtfertigt sei auch der Vorwurf, die Unkenntnis der Klausel beruhe auf grober Fahrlässigkeit (wird ausgeführt).

Auch die verbleibenden Umstände ließen nicht darauf schließen, dass die Kl. oder Verkäufer die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt oder missachtet haben, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei sei zu beachten, dass - wie die veröffentlichte Rspr. zeige - Leitungswasserschäden aufgrund von Frosteinwirkung dominierten. Das stelle auch die Bekl. nicht in Frage. Dann könne von einem VN aber kaum erwartet werden, dass er die zur Verhinderung von Wasserschäden im Sommer gebotenen Schutzvorkehrungen in gleicher Weise verinnerliche, wie die im Winter aufgrund der Frostgefahr gebotenen Maßnahmen …

Gleichfalls haltlos sei die Behauptung der Bekl., die gesamte Wasserleitung sei "offenbar" korrodiert. Denn das folgere sie allein aus dem Vortrag der Kl., der Wasserschaden sei darauf zurückzuführen, dass eine Überwurfmutter korrosionsbedingt gerissen sei. Das lasse aber keinen Rückschluss auf den Zustand der gesamten Wasserleitung zu, zumal das von der Bekl. außergerichtlich eingeholte Gutachten nicht den geringsten Anhalt dafür biete, dass das Leitungssystem erneuerungsbedürftig gewesen sei.

Schließlich könne der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht damit begründet werden, dass - so die Bekl. - in nicht benutzten Gebäuden das Leitungswasserrisiko selbst außerhalb von Frostperioden sprunghaft steige. Soweit sie in diesen Fällen selbst die Gefahr einer Materialermüdung höher einschätzt, leuchte das nicht ein. Ebenso wenig deute darauf hin, dass die Kl. mit Sabotageakten von Eindringlingen hätten rechnen müssen, da das von ihnen gekaufte Anwesen in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil liege und - nach ihrem unwiderlegten Vortrag - von ihnen regelmäßig einmal wöchentlich zu Kontrollzwecken aufgesucht worden sei. Was bleibe, sei allein das Risiko, dass s...

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