Entscheidungsstichwort (Thema)

einstweilige Verfügung. Entscheidung durch Vorsitzenden allein. Antragsabweisung – § 62 II 2 ArbGG – sofortige Beschwerde. Wettbewerb. Kündigungsfristen. dringender Fall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 62 II 2 ArbGG darf das Arbeitsgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren auch im Falle der Abweisung des Antrages nur dann durch den Vorsitzenden allein ohne mündliche Verhandlung entscheiden, sofern ein dringender Fall vorliegt.

2. Das Arbeitsgericht hat bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein im Falle einer Abweisung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschluss das Vorliegen eines dringenden Falles gemäß § 62 II 2 ArbGG eingehend zu begründen.

3. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein verletzt bei Fehlen eines dringenden Falles den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters und kann das Gebot rechtlichen Gehörs verkürzen.

4. Entscheidet das Arbeitsgericht trotz eines fehlenden dringenden Falles ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein und legt der unterliegende Antragsteller dagegen sofortige Beschwerde ein, so ist das Beschwerdegericht nach § 68 ArbGG nicht gehindert, wegen des erheblichen Verfahrensfehlers die Sache an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

 

Normenkette

ArbGG § 62 II 2; ZPO §§ 935, 940; BGB § 622

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 01.04.2011; Aktenzeichen 2 Ga 15/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin/Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 01.04.2011 – 2 Ga 15/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten, sich bis zum 31.08.2011 des Wettbewerbs zu Lasten der Klägerin zu enthalten und nicht für die Wettbewerberin, die Firma L. AG, ab 01.04.2011 tätig zu werden. Streitig ist zwischen den Parteien dabei insbesondere die Frage, mit welcher Frist der Beklagte sein Arbeitsverhältnis kündigen durfte.

Der Beklagte trat aufgrund des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 23.07.1992 ab 02.04.1991 als kaufmännischer Angestellter in die Dienste der Klägerin ein. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages obliegen ihm die Aufgaben kaufmännischer/technischer Kundendienst Fachbereich Werkzeuge und Maschinen.

In § 3 des schriftlichen Arbeitsvertrages heißt es zu den Kündigungsfristen:

  1. Für beide Vertragsparteien gilt eine Kündigungsfrist von

    a) 8 Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres

    d)

    Die Fristen aus dem Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 09.07.1926 gelten auch für eine Kündigung seitens des Angestellten.

Der Beklagte betreute zuletzt den kompletten Außendienstbereich in L. auf dem Gebiet der Schweißtechnik und führte Reparaturen durch. Er kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 03.02.2011 zum 31.03.2011. Die Klägerin widersprach dem mit Schreiben vom 08.02.2011 und wies auf eine Kündigungsfrist bis zum 31.08.2011 hin. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 08.02.2011 wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 13 d. A.). Der Beklagte blieb bei seiner Auffassung, das Arbeitsverhältnis habe zum 31.03.2011 geendet. In einem mit dem Vorstand der Klägerin am 30.03.2011 geführten Gespräch erklärte der Beklagte, er werde zum 01.04.2011 nicht mehr erscheinen.

Die Firma L. AG, eine Wettbewerberin der Klägerin mit Sitz in S. bei B., eröffnete zum 01.04.2011 eine Niederlassung in L. in unmittelbarer Nachbarschaft zur Klägerin.

Der Beklagte beabsichtigte, zum 01.04.2011 bei der Firma L. AG in L. die Arbeit aufzunehmen. Dies tat er auch. Dem Internetauftritt der Firma L. AG ist zu entnehmen, dass der Beklagte dort als Arbeitnehmer geführt wird.

Die Klägerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung vom Beklagten die Unterlassung jedweder Tätigkeit für die Firma L. AG bis zum 31.08.2011.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ende frühestens mit Ablauf des 31.08.2011. Die Regelung im Arbeitsvertrag sei eindeutig. Sie sei transparent. Eine Auslegung ergebe, dass es sich bei der 8-wöchigen Kündigungsfrist um die verlängerte Grundkündigungsfrist handele und die Regelung in § 3 Abs. 1 d) darauf aufbaue mit den verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen. Der Hinweis auf das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 09.07.1926 sei unschädlich. Es handele sich dabei um eine dynamische Verweisung auf die Gesetzeslage, mithin auf den nunmehr geltenden § 622 BGB. Die Formulierung sei auch insoweit eindeutig, als jedem erkennbar sei, dass die Gleichstellung der Kündigungsfristen des Arbeitnehmers mit jenen des Arbeitgebers vereinbart worden sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 01.04.2011 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klausel sei nach dem Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Denn sie...

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