Entscheidungsstichwort (Thema)

Dogmatische Einordnung des "Mobbing" im Arbeitsrecht. Rücksichtnahmepflichten im Arbeitsverhältnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. "Mobbing" ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbstständige Grundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber. Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche aufgrund von Mobbing geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB oder ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder aber eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB begangen hat.

2. Der Arbeitgeber hat gegenüber seinem Arbeitnehmer bestimmte Fürsorge- und Schutzpflichten wahrzunehmen, die aus § 241 Abs. 2 BGB folgen. Diese Rücksichtnahmepflichten verbieten die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Dazu zählt indessen nicht eine lediglich mangelnde Kommunikation zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter, wohl aber eine systematische und zielgerichtete Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 823 Abs. 1-2, § 826

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 13.11.2015; Aktenzeichen ö. D. 2 Ca 878 c/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 13.11.2015 - ö. D. 2 Ca 878 c/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagten wegen "Mobbings" geltend.

Der 1965 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 01.07.2002 als Angestellter auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Anlage B 1, Bl. 99 d. A.) bei der Beklagten zu 2) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe E 12 eingruppiert. Er wohnt in L. bei K.. Der Kläger ist tätig im IT-Bereich und war zuletzt eingesetzt als Gruppenleiter des Back-Offices im Bereich Servicemanagement bei der Beklagten zu 1). In dieser Funktion leitet er 5 Mitarbeiter. Im hier streitgegenständlichen Zeitraum war er Mitglied des Betriebsrats der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) hatte zum 01.01.2010 ihre IT-Organisation auf die Beklagte zu 1) übertragen. Dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger auf Anregung der Beklagten zu 2) widersprochen. Er wird seitdem auf Grundlage eines Personalgestellungsvertrags (Bl. 100 - 111 d. A.) bei der Beklagten zu 1) beschäftigt. Seit Sommer 2014 ist der Kläger in psychotherapeutischer Behandlung, seit dem 19.01.2015 ist er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Vorgesetzter des Klägers ist Herr W., u. a. von ihm fühlt sich der Kläger gemobbt.

Aufgaben des Klägers sind die personelle Leitung und Betreuung der Mitarbeiter des Back-Offices, deren Schulung, die Bearbeitung von Anträgen und Anfragen ("Tickets") und deren Überwachung sowie ggf. das Einleiten von Maßnahmen und die Bearbeitung von Anträgen und Anfragen zu Dienstleistungen. Daneben unterstützt der Kläger den Service Desk und den 1st level support und nimmt an Besprechungen/Meetings teil. Auf die Stellenbeschreibung vom 20.10.2014 (Anl. B 18, Bl. 468 d. A.) wird Bezug genommen.

Die Beklagte zu 1) ist in 4 IT-Fachbereiche organisiert: Systembereich, Klinische Verfahren, Administrative Verfahren und das Servicemanagement (SM), dem der Kläger zugeordnet ist. Das SM ist seinerseits untergliedert in 4 Teilbereiche: Service Desk, Arbeitsplatzdienst (APD) L., APD K. sowie das Back-Office, das der Kläger leitet. Die interne Kommunikation ist bei der Beklagten zu 1) in einer Kommunikationsrichtlinie (Anlage B 17, Bl. 450 - 467 d. A.) geregelt, die ausweislich Ziff. 1.1. den Charakter einer Arbeitsanweisung hat. Im Anhang der Richtlinie findet sich eine "Kommunikationskaskade" (Bl. 199 d. A.) Die Kommunikationskaskade dient ausweislich Ziff. 2.1 der Richtlinie der Weitergabe von Informationen und Beschlüssen des Managements an alle Mitarbeiter. Ihr ist zu entnehmen, dass Bereichsrunden im SM 14-tägig donnerstags stattfinden und an diesen u. a. die Gruppenleiter teilnehmen.

Die Beklagte zu 1) beschäftigt insgesamt 12 Gruppenleiter. Von diesen ist der Gruppenleiter APD K. in K. beschäftigt, der Gruppenleiter P. aus dem Bereich Klinische Verfahren arbeitet 3 Tage in L. und 2 Tage in K. oder in einem Home-Office. Er nimmt die Betreuung von PICIS und ICM (Intensivstation) in K. vor Ort vor. Die weiteren Gruppenleiter der Beklagten zu 1) sind in L. tätig.

Die Beklagte zu 2) betreibt in K. und L. die Universitätsklinik. Sie ist nach der Auslagerung ihrer IT-Organisation neben einem privaten Partner Gesellschafterin der Beklagten zu 1). Im März 2012 informierte sie den Betriebsrat der Beklagten zu 2) über den beabsichtigten Umzug der Beklagten zu 1) vom Standort K. zum Standort L. (Anl. B 3, Bl. 112 - 115 d. A.). Im Oktober 2012 schloss sie mit ihrem Personalrat eine Dienstvereinbarung über die Verwendung eines freiwilligen Sozialfo...

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