Entscheidungsstichwort (Thema)

Gefährdungsbeurteilung. vertraglicher Anspruch. Beteiligung des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmer hat keinen einzelvertraglichen Anspruch aus § 618 BGB i.V.m. § 5 I ArbSchG auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung

 

Normenkette

BGB § 618; ZPO §§ 533, 263; ArbSchG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 24.05.2005; Aktenzeichen 5 Ca 655 (6)/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.08.2008; Aktenzeichen 9 AZR 1117/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.05.2005 – 5 Ca 655 (6) / 05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit die Klage mit dem Antrag zu 1.) und dem diesbezüglichen Hilfsantrag abgewiesen wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zu- gelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG hat. Weiterhin streiten die Parteien erstmalig in der Berufung darum, ob dem Kläger bis zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung zusätzlich Erholungspausen von 10 Minuten pro Stunde zu gewähren sind bzw. hilfsweise die Beklagte ihn so mit betriebsüblichen Gießereigehilfentätigkeiten zu beschäftigen hat, dass der Zeitanteil der Sandkehrarbeiten maximal 20 % beträgt.

Der Kläger trat am 27.04.1994 als Anlerner „Gießereiwerker” in die Dienste der Beklagten ein. In einem beim Arbeitsgericht Lübeck (3 Ca 21/02) gegen die Beklagte geführten Kündigungsschutzprozess obsiegte er. Seither beschäftigt die Beklagte ihn (ab 2002) in der Gießerei im Bereich der Sandaufbereitung. Seine Aufgabe besteht darin, in mehreren Kellerräumen in der Gießerei die Fußböden zu reinigen, indem er den Sand beseitigt, der von den einzelnen Förderbänden auf den Fußboden fällt. Diese Aufgabe bewältigt er mit einem Staubsauger bzw. mit Schaufel und Schubkarre. Sodann hat er den Sand in einem Altsandcontainer zu entsorgen. Für seine Tätigkeit steht ihm eine persönliche Schutzausrüstung zu. Dazu gehören insbesondere ein Schutzhelm, eine Staubmaske, Ohrenschützer und Sicherheitsschuhe.

Diese Tätigkeit ist vorher von anderen Arbeitnehmern neben ihrer normalen Tätigkeit als Gießereigehilfen ausgeübt worden. Der Kläger war bis zum Ausspruch der damaligen Kündigung im Schmelzbetrieb und in der Putzerei tätig. Im August 2004 besichtigte und bewertete der Sicherheitsingenieur F. vom Ingenieurbüro für Arbeitssicherheit in Abwesenheit des damals erkrankten Klägers dessen Arbeitsplatz im Bereich der Sandaufbereitung. Dies dokumentierte er in einer so genannten „Gefährdungsbeurteilung und festgelegte Schutzmaßnahmen nach Arbeitsschutzgesetz § 6”. Wegen der Einzelheiten dieser Dokumentation wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 17 d.A.).

Mit Schreiben vom 23.09.2004 wiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, nach ihrer Auffassung handele es sich bei der vorgenommenen Beurteilung allenfalls um eine solche, die die Vorschriften des Arbeitssicherheitsgesetzes berücksichtige. Dem Kläger gehe es aber darum, dass zusätzlich entsprechend § 2 Abs. 1 ArbSchG Maßnahmen zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit in die Arbeitsschutzmaßnahmen einzubeziehen seien (Bl. 5 – 7 d.A.).

Der Kläger hat gemeint, die vorgenommene Gefährdungsbeurteilung entspreche nicht den Anforderungen des § 5 ArbSchG, sondern nur denen des Arbeitssicherheitsgesetzes. Zudem sei der Betriebsrat nicht beteiligt worden. Er sei an seinem Arbeitsplatz erheblichen Belastungen ausgesetzt. Er habe bereits einen Hörschaden erlitten. Er habe gegenüber der Beklagten einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Durchführung einer den Vorschriften des § 5 ArbSchG entsprechenden Gefährdungsbeurteilung.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an seinem Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG durchzuführen, die sich insbesondere mit den Gefährdungspotentialen Lärm, Staub, Arbeitshemmnisse und Hindernisse, unklarer Aufgaben- stellungen, mangelnde Bewegungsspielräume, Vorgesetzten- verhalten sowie den sich im Zusammenwirken hieraus ergebenden psychischen Belastungen befasst, unter Anwendung der Kriterien der ISO 9241 Teil 2, der Humankriterien sowie den sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit unter Anwendung des Verfahrens des Beobachtungsinterviews durch eine arbeits- wissenschaftlich, arbeitspsychologisch qualifizierte Person.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Unabhängig davon habe sie eine solche aber auch ordnungsgemäß durchgeführt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Gefährdungsbeurteilung seines Arbeitsplatzes. Ein solcher Anspruch folge nicht aus § 5 Abs. 1 ArbSchG. Dabei handele es sich um eine öf...

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