Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame Rückzahlungsklausel bei Verpflichtung zur Erstattung von Ausbildungskosten auch im Falle ordentlicher Eigenkündigung des Arbeitnehmers aufgrund vertragswidrigen Verhaltens der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Regelung über die Erstattung von Ausbildungskosten benachteiligt den Betroffenen unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn von der Rückzahlungspflicht nicht auch die Fälle ausgenommen sind, in denen sich die Arbeitgeberin unterhalb der Schwelle des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB vertragswidrig verhält; auch in solchen Fallgestaltungen sind die Gründe für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich der Arbeitgeberin zuzurechnen.

2. Das billigenswerte Interesse des Arbeitnehmers daran, seinen Arbeitsplatz ohne Belastung mit der Erstattungspflicht wählen zu können, überwiegt jedenfalls dann das Interesse der Arbeitgeberin, die vom Arbeitnehmer auf ihre Kosten erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen, wenn ein verständiger Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens der Arbeitgeberin zu einer Kündigung geschritten wäre; unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen dürfte es den Arbeitnehmer dagegen nicht unangemessen benachteiligen, wenn ihn die gestellte Klausel zur Ausbildungskostenerstattung für solche Fälle der Eigenkündigung verpflichtet, in denen ein verständiger Arbeitnehmer den aus der Sphäre der Arbeitgeberin stammenden Grund nicht zum Anlass für eine Kündigung genommen hätte.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 12.02.2014; Aktenzeichen 1 Ca 1651 b/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 12.02.2014 1- Ca 1651 b/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

...

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Erstattung von Ausbildungskosten.

Die Parteien schlossen einen Vertrag zur Durchführung des praktischen Teils eines dualen Studienganges in Kooperation mit der N. Hochschule der Wirtschaft (Nebenintervenientin). Der mit "Studien-/Prüfungsgebühren" überschriebene § 9 dieses Praktikumsvertrags hat, soweit von Interesse, folgenden Wortlaut:

"Der Betrieb trägt und entrichtet die Studiengebühr, die von der N. erhoben wird, in der jeweils aktuellen Höhe und übernimmt die Prüfungsgebühr für die Bachelorprüfung. ...

Die von der Firma aufgewendeten Studiengebühren sind vorbehaltlich der unten genannten Ausschlusstatbestände zurückzuzahlen, wenn

- das Praktikumsverhältnis nach Ablauf der Probezeit aber vor Beendigung

des Studiums auf Wunsch des/der Student/in bzw. aufgrund einer verhaltensbedingten oder fristlosen Kündigung der Firma endet,

- das Studium aus von der Studentin/dem Studenten zu vertretenden Gründen (z. B. mangelnde Vorbereitung, Nachlässigkeit) abgebrochen bzw. aufgegeben wird,

- die Studentin/der Student nach Studienabschluss ein ihr/ihm zumutbares, ihrer/seiner Ausbildung entsprechendes Angebot auf Abschluss eines Arbeitsverhältnisses ablehnt oder

- ein sich an das Studium anschließendes Arbeitsverhältnis vor Ablauf von zwei Jahren auf Wunsch des/der Mitarbeiter/in oder aus Gründen endet, die den Arbeitgeber zu einer verhaltensbedingten oder fristlosen Kündigung berechtigen.

Eine Rückzahlungspflicht besteht nicht, wenn

- das Praktikumsverhältnis während der Probezeit endet,

- das Praktikumsverhältnis aus betriebs- oder personenbedingten Gründen beendet wird,

- ein sich an das Studium anschließendes Arbeitsverhältnis vor Ablauf von zwei Jahren aus betriebs- oder personenbedingten Gründen endet oder

- die Studentin/der Student berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB zu beenden.

Ist die Rückzahlungspflicht während eines an das Studium anschließenden Arbeitsverhältnisses eingetreten, ermäßigt sich der Rückzahlungsbetrag um 1/24 für jeden vollen Monat des bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Der ggf. maximal zur Rückzahlung fällige Gesamtbetrag beträgt in Abhängigkeit vom Studiengang etwa 16.000,00 €. Der Rückzahlungsbetrag ist sofort zur Zahlung fällig. Eine ratenweise Rückzahlung kann auf Antrag vereinbart werden. "

Wegen des weiteren Vertragsinhaltes wird auf die bei den Akten befindliche Kopie Bezug genommen (Anl. K1 = Bl. 5 ff. d. A.).

Die Klägerin entrichtete für das Studium des Beklagten an die Nebenintervenientin Studiengebühren in Höhe von 16.900,00 EUR. Im Anschluss an das Studium schlossen die Parteien zum 01.03.2013 einen Arbeitsvertrag, dessen § 1 auf § 9 des Praktikumsvertrages Bezug nimmt. Wegen des weiteren Vertragsinhaltes wird auf die bei den Akten befindliche Kopie verwiesen (Anl. K2 = Bl. 8 ff. d. A.). Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 15.08.2013.

Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage unter Anwendung der Kürzungsregelung in § 9 Abs. 5 des Praktikumsvertrages die Rückzahlung der von ihr geleisteten Studiengebühren i. H. ...

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