Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung. Probezeit. Wartezeit. Rechtsmissbrauch. Sittenwidrigkeit. falsche Angaben in der Einstellungserklärung. negative Eignungs- und Leistungsbeurteilung durch Vorgesetzten. Probezeitkündigung: Falsche Auskunft über verhängte Disziplinarmaßnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine Probezeitkündigung wegen falscher Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei dessen Einstellung gestellten Frage gemäß §§ 242, 138 Abs. 1 BGB rechtmissbräuchlich und damit nichtig ist, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber in zulässigerweise von seinem Fragerecht Gebrauch gemacht hat.

2. Aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers und dem Resozialisierungsgedanken hat der Arbeitgeber in Bezug auf Vorstrafen nur ein eingeschränktes Fragerecht.

3. Demgegenüber hat der öffentliche Arbeitgeber in der Regel ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung verhängter Disziplinarmaßnahmen, weil diese grundsätzlich als Reaktion auf pflichtwidriges Verhalten im Amt verhängt wurden.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 13.07.2011; Aktenzeichen 1 Ca 154 c/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 13.07.2011, Az. 1 Ca 154 c/11, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Probezeitkündigung.

Der am …1962 geborene, verheiratete Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 17.08.2010 mit Wirkung zum 23.08.2010 als Studienrat an Gymnasien in den Landesdienst eingestellt und am Gymnasium H. in N. eingesetzt. Der Kläger bezog zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen i. H. v. EUR 3.064,54.

Vor seiner Einstellung hatte der Kläger in B. das Referendariat abgeleistet und die Zweite Staatsprüfung am 18.01.2010 bestanden. Anlässlich der Einstellung in den Schleswig-Holsteinischen Schuldienst gab er am 29.7.2010 eine Erklärung ab. Durch seine Unterschrift auf der Formularerklärung bestätigte er u. a. (Bl. 14 d. A.):

„…, dass ich nicht gerichtlich bestraft oder disziplinarrechtlich belangt worden bin und dass gegen mich kein gerichtliches Strafverfahren, strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder Disziplinarverfahren anhängig ist, …”

Zwischen den Parteien ist umstritten, ob der Kläger durch unangemessenes Verhalten und Distanzlosigkeit im Sportunterricht aufgefallen ist. Am 23.11.2010 fand zwischen dem Kläger und dem Schulleiter F. eine Nachbesprechung über zwei Unterrichtsstunden statt. In diesem Gespräch teilte Herr F. dem Kläger mit, Schülerinnen der neunten Klasse hätten behauptet, er, der Kläger, „gucke komisch”. Herr F. fragte den Kläger, ob er möglicherweise ein „Nähe-Distanz-Problem” im Verhältnis zu Schülerinnen und Schülern habe. Herr F. wandte sich an das Personalreferat, woraufhin das beklagte Land die Personalakten bei der alten Dienststelle des Klägers in B. anforderte. Aus den übersandten Akten ergab sich, dass aufgrund eines Vorfalls am Autobahnzubringer H.-L. am 14.05.2000 ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen exhibitionistischer Handlungen eingeleitet und dieses gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden war. Während der Zeit des in B. abgeleisteten Referendariats war es am 31.05.2005 zu einem weiteren Vorfall gekommen, der von der Staatsanwaltschaft B. in der Anklageschrift als exhibitionistische Handlung gemäß § 183 StGB bewertet worden war. Das Strafverfahren war gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Infolge dieses Vorfalles war der Kläger vom Senator für Bildung und Wissenschaft der F. H. B. mit bestandskräftigem Bescheid vom 10.05.2005 gemäß § 38 Abs. 1 des B. Disziplinargesetzes vorläufig des Dienstes enthoben worden. Außerdem war nach § 38 Abs. 2 B. Disziplinargesetz ein Teil seiner Dienstbezüge einbehalten worden. In dem Bescheid wurde zur Begründung u. a. ausgeführt:

„Ausweislich einer vom Polizeirevier N. aufgenommenen Strafanzeige haben Sie am 31. März 2005, zwischen 14:30 Uhr und 15:00 Uhr am W. (Höhe B.weg) in alkoholisiertem Zustand (Blutalkoholkonzentration 2,08 g Promille) eine andere Person durch exhibitionistische Handlungen belästigt, in dem Sie vor der Geschädigten onanierten. Die Geschädigte hatte Sie bereits zuvor angesprochen und Ihnen unmissverständlich klar gemacht, dass Sie sie in Ruhe lassen sollten. Sie wurden von der Polizei noch am selben Ort angetroffen, befanden sich aber mittlerweile in Begleitung von zwei jungen Mädchen, die Sie als Lehrer bezeichneten.”

Mit Bescheid vom 31.03.2006 widerrief das Land B. das Beamtenverhältnis des Klägers gemäß §§ 39 Abs. 1 i. V. m. § 38 Abs. 4 B. Beamtengesetz a. F. unter Bezugnahme auf den Vorfall am W. am 31.03.2005 und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Gegen diese Maßnahmen wandte sich seinerzeit der Kläger nach erfolglosem Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht B. mit einem einstweiligen Anordnungsverfahren und einer Verpflichtungsklage (VG B. 6 V 1793/06 und 6 K 1647/06). Nachdem der K...

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