Entscheidungsstichwort (Thema)

vorsorgliche Kündigung. Wartezeit. Betriebsratsanhörung. Maßregelungskündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Zusammenrechnung mehrerer kurzzeitiger Arbeitsverhältnisses im Rahmen des § 1 Abs. 1 KSchG kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn zwischen den jeweiligen Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht.

Eine vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses verstößt weder gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB noch gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB, wenn der Arbeitgeber diese ausspricht, weil der Arbeitnehmer gegen eine Befristung des Arbeitsverhältnisses Klage erhoben hat (im Anschluss an BAG, Urteil vom 06.11.2003 – 2 AZR 690/02).

Eine Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Betriebsratsanhörung frühere Beschäftigungszeiten nicht erwähnt, soweit diese bei der Berechnung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG unberücksichtigt bleiben (gegen LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.11.2004 – 3 Sa 159/04).

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1; BGB §§ 242, 612a; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 12.01.2005; Aktenzeichen 5 Ca 3760/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 12.01.2005 – 5 Ca 3760/03 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses, die die Beklagte aus Anlass einer Entfristungsklage vorsorglich ausgesprochen hat.

Der Kläger ist am …1963 geboren. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit Juli 1999 war er mehrmals mit Unterbrechungen als Produktionshelfer beschäftigt. Der letzte befristete Arbeitsvertrag wurde von den Parteien am 04.06.2003 für die Zeit vom 01.07. bis 14.09.2003 abgeschlossen. Nachdem der Kläger am 02.10.2003 vor dem Arbeitsgericht Klage gegen die Wirksamkeit der Befristung erhoben hatte (5 Ca 3435/03/Arbeitsgericht Lübeck), unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte Kündigung wie folgt (Bl. 23, 24 d.A.):

Wir beabsichtigen

Herrn

Y.

C.

…63 vh/3 Kd

Name

Vorname geb.

Fam.St.

K

2… G.

9…

1.7.2003

Anschrift

Pers.-Nr.

Eintritt

Beschäftigt als Urlaubsvertretung Mischerei bis zum 14. September 2003

Vorsorglich fristgerecht zum nächstmöglichen Termin (14 Tage) zu kündigen.

Dieser Kündigungsantrag ist nach § 79 BVG zu behandeln.

Begründung:

Herr C. Y. war als Urlaubsvertretung vom 1. Juli 2003 bis 14. September 2003 beschäftigt.

Es liegt uns eine Klage von Herrn Y. auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses vor.

Ohne damit ein Arbeitsverhältnis anzuerkennen, beabsichtigen wir, Herrn Y. vorsorglich fristgerecht zu kündigen.

G., den 8. Oktober 2003

S.

Der Betriebsrat widersprach dieser Kündigung unter Stellungnahme vom 14.10.2003 (Bl. 25 d. A.) wie folgt:

Betreff: Kündigungsantrag C. Y., PN …

Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 13. Oktober 2003 eingehend über den o.g. Kündigungsantrag beraten und beschlossen, nach § 102 BetrVG zu widersprechen.

Begründung:

Der Betriebsrat ist zu der Auffassung gelangt, dass der Kündigungsantrag sozial ungerechtfertigt ist, zumal die soziale Interessenabwägung zwischen den wirtschaftlichen Belangen des Herrn Y. und denen der Firma nicht ausreichend berücksichtigt worden ist. Herr Y. ist verheiratet, hat 3 Kinder und ist als Alleinverdiener somit für 4 Personen unterhaltspflichtig,

Der Betriebsrat kann den Kündigungsgrund nicht nachvollziehen, denn Sie beabsichtigen, Herrn Y. zu kündigen ohne zu wissen, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen der H. GmbH und Herrn Y. besteht. Herr Y. will seine ihm zustehenden gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen um überprüfen zu lassen, ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vorliegt. Diese Kündigung ist um so unverständlicher, weil Sie genau für den Bereich, in dem Herr Y. beschäftigt und eingesetzt wurde, 4 befristete Einstellungen beantragt haben. Folglich ist eine Weiterbeschäftigung des Herrn Y. auf seinem alten, aber auch auf anderen freien Arbeitsplätzen im Unternehmen – wie z. B. StA-Nr: 071103 – Maschinenführer für den Bereich FS 2/2 PL 2E, 10E, 11E- StA-Nr.: 074/03 Vertreter Rundverkehr; StA-Nr.: 075/03 2 Maschinenführerinnen PL 12E – PQ 35 und StA-Nr.: 076/03 Maschinenführerln autom. Endf. PL 7E – 9E – durchaus möglich.

Betriebsrat

M. P.

Mit Schreiben vom 16.10.2003 (Bl. 10 d. A.) sprach die Beklagte die vorsorgliche Kündigung zum 07.11.2003 aus. Hiergegen hat sich der Kläger am 27.10.2003 durch Klage gewandt, mit der er gerügt hat, die Kündigung sei sozialwidrig, sie stelle eine Maßregelung dar, sei sittenwidrig, ferner sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört. Mit Urteil vom 14.05.2004 hat das Arbeitsgericht in dem Befristungsrechtsstreit festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch den Ablauf der Befristung am 14.09.2003 geendet hat. Die dagegen von der Beklagten einge...

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