Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer OT-Mitgliedschaft. Anspruch auf Tariflohnerhöhung durch betriebliche Übung. Auslegung einer Bezugnahmeklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Annahme einer generellen Unwirksamkeit einer OT-Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband unabhängig von den konkreten Regelungen der Satzung zu der organisatorischen Struktur der betroffenen Verbandsbereiche und den Rechten der OT-Mitglieder, insbesondere im Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen, mit der weiteren Konsequenz eines Verbleibens des Mitglieds im Zustand der Tarifgebundenheit trotz entgegenstehender Erklärung, gibt es keine rechtliche Grundlage.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 26.01.2005; Aktenzeichen 4 Ca 688 c/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 26.01.2005 – Az.: 4 Ca 688 c/04 abgeändert:

  1. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die tariflichen Gehaltserhöhungen zu zahlen.

Die 1965 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.08.1982 als Bürokauffrau mit einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 120 Stunden bei einer monatlichen Vergütung von zuletzt 1.408,91 EUR brutto beschäftigt.

§ 11 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 12.08.1993 enthält u. a. folgende Regelung:

„… soweit weder in diesem Arbeitsvertrag noch in der Betriebsvereinbarung Regelungen über das hierdurch begründete Arbeitsverhältnis enthalten sind, gelten die Bestimmungen des vom Einzelhandelsverband Schleswig-Holstein mit den Gewerkschaften abgeschlossenen, jeweils gültigen Mantel- und Gehaltstarifvertrages für Arbeitnehmer im Einzelhandel von Schleswig- Holstein…”.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 08.02.2001 die Mitgliedschaft im Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Schleswig-Holstein e. V. nach Maßgabe der Vereinssatzung als Mitglied ohne Tarifbindung (OTMitgliedschaft). Die Klägerin ist Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di e. V.. Zwischen diesen Verbänden wurde am 06.07.2001 der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Schleswig-Holstein und am 25.07.2003 der Entgelttarifvertrag im Einzelhandel Schleswig-Holstein abgeschlossen.

Seit dem 01.08.2003 beträgt das Tarifgehalt für Vollzeitbeschäftigte in der für die Klägerin maßgeblichen Tätigkeitsgruppe 2 monatlich 1.950,– EUR und ab 01.08.2004 monatlich 1.986,– EUR brutto.

Die Beklagte hat über den 01.08.2003 hinaus an die Klägerin unverändert das frühere anteilige Tarifgehalt von 1.408,91 EUR brutto gezahlt. Die monatliche tarifliche Vergütungsdifferenz, umgerechnet auf die Teilzeittätigkeit der Klägerin, beläuft sich seit dem 01.08.2003 – unstreitig – auf 26,67 EUR brutto und seit dem 01.08.2004 auf 53,18 EUR brutto.

Die Beklagte ist nach wie vor OT-Mitglied im Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Schleswig-Holstein e. V. Nach ihrem – nicht mehr bestrittenen – Vortrag in der Berufungsinstanz war die Beklagte in der Zeit vom 14.10.1947 bis zum 31.12.2002 auch Mitglied des am Tarifabschluss ebenfalls beteiligten Einzelhandelsverbandes Nord-Ost e. V. Schleswig- Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, davon seit dem 29.04.1999 satzungsgemäßes OT-Mitglied.

Erstinstanzlich hat die Klägerin die Tariflohnerhöhungen seit dem 01.08.2003 bis einschließlich Dezember 2004 geltend gemacht und dazu vorgetragen: Die Ansprüche seien aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Anwendbarkeit der Tarifverträge unabhängig von der Verbandsmitgliedschaft der Beklagten begründet. So habe sie, die Klägerin, auch noch nach Erklärung der OT-Mitgliedschaft gegenüber dem Verband regelmäßig an den tariflichen Gehaltserhöhungen teilgenommen. Eine etwaige OT-Mitgliedschaft der Beklagten sei nicht zulässig. Dies sehe das Tarifvertragsgesetz nicht vor. Deshalb sei der Anspruch auch unter dem Gesichtspunkt der beiderseitigen Tarifbindung begründet.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 585,94 EUR brutto nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 186,69 EUR brutto ab Zustellung der Klageschrift und den Restbetrag von 402,25 EUR brutto ab Zustellung des Schriftsatzes vom 18.01.2005 zu zahlen

hilfsweise

die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die OT-Mitgliedschaft sei zulässig mit der Folge, dass abgeschlossene tarifliche Regelungen keine unmittelbare und zwingende Wirkung hätten.

Die Bezugnahmeklausel begründe aber auch keinen einzelvertraglichen Anspruch. Diese Klausel sei nach der Rechtsprechung des BAG als Gleichstellungsabrede auszulegen. Das bedeute, dass die Klägerin wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer auch nur während der Dauer der Tarifgebundenheit der Beklagten an der Tarifentwicklung der in Bezug genommenen Tarifregelungen teilnehmen könne.

Wegen des weite...

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