Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnfortzahlung. Kur. Arbeiter. Versicherungsfreiheit. Ungleichbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Verfahren wird gem. Art. 100 GG ausgesetzt.

Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 7 Abs. 1 und 3 Lohnfortzahlungsgesetz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit er den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts während der Dauer einer Kur für Arbeiter an engere Voraussetzungen, als sie für Angestellte in den alten Bundesländern gelten, knüpft.

 

Normenkette

Lohnfortzahlungsgesetz § 7 Abs. 1, 3; BGB § 616 Abs. 1 S. 1; HGB § 63 Abs. 1 S. 1; GewO § 133c Abs. 1 S. 1; GG Art. 100

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Aktenzeichen 1b Ca 1684/92)

 

Tenor

Das Verfahren wird gem. Art. 100 GG ausgesetzt.

Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 7 Abs. 1 und 3 Lohnfortzahlungsgesetz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit er den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts während der Dauer einer Kur für Arbeiter an engere Voraussetzungen, als sie für Angestellte in den alten Bundesländer gelten, knüpft.

 

Tatbestand

A.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger für die Dauer eines Kurverfahrens Lohnfortzahlung zu gewähren.

Der Kläger, ein Student, ließ sich zu Beginn seines Studiums auf eigenen Antrag von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, befreien, weil er über seinen beamteten Vater Leistungen der Beihilfe in Anspruch nehmen wollte.

Er ist bei dem Beklagten seit dem 16.1.92 als Aushilfe in der Küche beschäftigt. Zunächst arbeitete er nach Absprache an Wochenenden. Für die Zeit vom 16.7.92 bis zum 15.10.92 vereinbarten die Parteien eine Vollzeitbeschäftigung.

Vom 4.7. bis zum 1.8.92 unterzog sich der Kläger zur Behandlung einer Adipositas einer ärztlich verordneten Vorbeugungskur. Das Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein erkannte die Beihilfefähigkeit dieser Kur mit Bescheid vom 23.6.92 an. Es gewährte im Wege der Beihilfe eine Kostenerstattung in Höhe von 80 %. Aus einer privaten Versicherung, die der Vater des Klägers abgeschlossen hatte, wurde für die Dauer der Kur zur Abgeltung aller Ansprüche ein Tagegeld von 60 DM gezahlt. Die Summe dieser Zahlungen überstieg die Kosten der Kur um knapp 200 DM.

Von dem Beklagten begehrt der Kläger für die Zeit der Kur Lohnfortzahlung in Höhe von insgesamt 1.589,61 DM.

Er hat unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.589,61 DM brutto nebst 12,75 % Zinsen seit dem 15.12.92 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den Anspruch für unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 7 LFG nicht vorliegen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6.4.93 abgewiesen. Es hat eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit der Begründung verneint, der Kläger habe sich infolge seines eigenen Antrages auf Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht gegenüber denjenigen Arbeitnehmern ungleich gestellt, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel weiter. Für den Fall, daß eine korrigierende Auslegung des § 7 LFG nicht möglich ist, beantragt er, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 7 LFG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

 

Entscheidungsgründe

B.

Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG war das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 7 Abs. 1 und 3 LFG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit er den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts während der Dauer einer Kur für Arbeiter an engere Voraussetzungen, als sie für Angestellte in den alten Bundesländern gelten, knüpft.

I. Die Entscheidung über die Berufung des Klägers hängt von der Verfassungsmäßigkeit der genannten Gesetzesvorschrift ab.

Ist sie gültig, bliebe die Berufung des Klägers erfolglos. Seine Forderung wäre unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 LFG nicht erfüllt sind und gemäß § 7 Abs. 3 LFG im übrigen ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts während der Dauer einer Kur nicht besteht.

Ist § 7 Abs. 1 und 3 LFG dagegen mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit er den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts während der Dauer einer Kur für Arbeiter an engere Voraussetzungen, als sie für Angestellte in den alten Bundesländern gelten, knüpft, kommen für den weiteren Fortgang des Verfahrens zwei Möglichkeiten in Betracht: Wenn sich das Bundesverfassungsgericht darauf beschränkt, die gleichheitswidrige Bestimmung für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären, muß der Rechtsstreit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ausgesetzt werden. Von der Art. der Neuregelung hinge es ab, ob der Kläger Lohnfortzahlung für die Dauer der Kur beanspruchen kann. Sollte das Bundesverfassungsgericht die gleichheitswidrige Vorschrift dagegen für nichtig erklären, wäre dem Kläger das Arb...

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