Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Nachzahlung. Anordnung. Vergleich. Abfindung. Anrechnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes stellt einen Vermögenswert i.S.v. § 115 Abs. 3 ZPO dar und ist bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (Anschluss an BAG, Beschluss v. 22.03.2003 – 2 AZB 23/03).

2. Der Einsatz der Abfindung zur Begleichung der Prozesskosten scheidet bei Überschreiten der Schongrenze nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII aus, wenn dies im Einzelfall eine besondere Härte darstellen würde. Sind solche Umstände nicht ersichtlich, kommt ein Einsatz von 10 vom Hundert der Abfindungssumme regelmäßig in Betracht.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 3; SGB XII § 90 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 03.03.2006; Aktenzeichen 1 Ca 3759/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 3.3.2006 – 1 Ca 3759/04 – teilweise abgeändert:

Die Klägerin hat sich an den Kosten der Prozessführung mit der Zahlung eines einmaligen Betrages in Höhe von 680 EUR zu beteiligen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die für die Beschwerde angefallene Gerichtsgebühr wird auf 33 % ermäßigt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

1. Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Anordnung der Nachzahlung von Prozesskosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe.

Die Klägerin hatte am 3.11.2004 Klage erhoben, mit der sie sich gegen eine Kündigung wehrte und gleichzeitig Bewilligung der Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 27.1.2005 hat das Arbeitsgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung bewilligt und bestimmt, dass derzeit nicht Zahlungen auf die Prozesskostenhilfe zu leisten seien.

Am 17.11.2005 haben die Parteien einen streitbeendenden Vergleich abgeschlossen, dem zufolge das Arbeitsverhältnis durch krankheitsbedingte Kündigung am 30.4.2005 geendet hat und die Beklagte sich verpflichtet, an die Klägerin eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes i.H.v. 6.800 EUR zu zahlen.

Die Vergütung für den beigeordneten Rechtsanwalt ist in Höhe von 936,70 EUR festgesetzt worden. Weiter sind Gerichtskosten i.H.v. 952,01 EUR angefallen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 3.3.2006 den Bewilligungsbeschluss dahingehend abgeändert, dass die Klägerin eine Sonderzahlung in Höhe der vom Gericht verauslagten Prozesskosten, d.i. 1888,71 EUR, an die Landeskasse zu zahlen habe. Hiergegen hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, die Abfindung sei auch für den Unterhalt der Familie einzusetzen. Vorliegend habe die Abfindung zur Beschaffung eines Familien-Kfz. gedient, damit der arbeitslose Ehemann den 40 km vom Wohnort entfernten neuen Arbeitsplatz erreichen könne. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.

2. Die zulässige Beschwerde hat nur teilweise Erfolg. Zutreffend hat das Arbeitsgericht bestimmt, dass die Klägerin sich an den Kosten der Führung des Rechtsstreits mit einem einmaligen Betrag zu beteiligen hat. Jedoch hat es den Betrag, den die Klägerin zu leisten hat, zu hoch angesetzt.

Eine Abfindung ist als Vermögen i.S. des § 115 ZPO zu berücksichtigen. Nach § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei, die Prozesskostenhilfe begehrt, ihr Vermögen einzusetzen, soweit es zumutbar ist.

Die Abfindung ist als Bestandteil seines Vermögens bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BAG Beschluss vom 22.3.2003 – 2 AZB 23/03 –). Nach § 90 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen der Partei einzusetzen. Eine als Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes geleistete Summe fällt nicht unter die Ausnahmetatbestände des § 90 Abs. 2 Ziff. 1 bis 8 SGB XII. Sie ist nicht zu berücksichtigen, wenn es sich um einen kleineren Barbetrag oder einen sonstigen Geldwert handelt, § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII. Die Höhe des kleineren Barbetrags ergibt sich aus § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII und beträgt bei Personen, die anderen nicht unterhaltspflichtig sind, 2.600 EUR. Für unterhaltsberechtigte Kinder kommen je 256 EUR hinzu. Der 22jährige Sohn der Klägerin verfügt bereits über eigene Einkünfte i.H.v. 470 EUR. Auch der Ehemann der Klägerin ist nicht auf ihre Einkünfte angewiesen. Beide sind damit nicht zu berücksichtigen. Somit ergibt sich ein Freibetrag für das Schonvermögen i.H.v. 2.856 EUR. Da die Abfindung mit 6.800 EUR vereinbart worden ist, übersteigt sie den „kleineren Barbetrag” um 3.944 EUR. Es ist der Klägerin daher zumutbar, sich an den Kosten der Führung des Rechtsstreits zu beteiligen.

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der Einsatz für sie eine besondere Härte bedeute. Es können von dem Vermögen weitere Beträge unberücksichtigt bleiben, soweit der Einsatz für denjenigen, der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeut...

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