Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinsamer Betrieb i.S.d. § 1 Abs. 2 BetrVG. Einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten

 

Leitsatz (amtlich)

Es liegt keine Spaltung eines Unternehmens vor, wenn eine Tochtergesellschaft der Krankenhausbetriebsgesellschaft Teile des Servicebereiches von einem Fremdunternehmen übernimmt, welches mit keiner der beteiligten Gesellschaften in Beziehung steht.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wird ein gemeinsamer Betrieb vermutet, wenn zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden. Diese Voraussetzungen sind dann noch nicht erfüllt, wenn eine unternehmerische Zusammenarbeit in verschiedenen Verwaltungsbereichen aufgrund wechselseitiger Verpflichtungen praktiziert wird.

2. Maßgebliches Merkmal für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebs ist eine einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten. Das Erbringen diverser Personaldienstleistungen auf der Grundlage einer Dienstvereinbarung führt noch nicht zu einer einheitlichen Leitung zweier Betriebe.

 

Normenkette

BetrVG § 1 Abs. 2; UmwG § 123; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 29.10.2019; Aktenzeichen 9 BV 57/19)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 24.05.2023; Aktenzeichen 7 ABR 8/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29.10.2019 - 9 BV 57/19 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Der antragstellende Betriebsrat begehrt die Feststellung eines gemeinsamen Betriebes der Beteiligten zu 2, 3 und 4., die jeweils mit Gesellschaftsvertrag vom 13.11.2007 gegründet wurden. Die Beteiligte zu 2, zukünftig genannt, übernahm dann zum 01.01.2008 den Betrieb des Städtischen Klinikums Magdeburg, damals ein Eigenbetrieb der Landeshauptstadt mit rund 1.800 Arbeitnehmern. Einhundert-Prozent-Gesellschafterin des Klinikums ist die Landeshauptstadt Magdeburg. Nach einem Auszug des Handelsregisters vom 04.11.2021 (Amtsgericht Stendal, HRB 7096) ist deren Geschäftsführerin Frau ... .

Zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebes des Städtischen Klinikums Magdeburg durch die Beteiligte zu 2 waren die Bereiche Wachschutz und Reinigungstätigkeiten fremdvergeben. Wegen des Auslaufens der Fremdvergabe zum 30.06.2009 versuchte das Klinikum, welches wiederum Einhundert-Prozent-Gesellschafterin der Beteiligten zu 3, zukünftig Servicegesellschaft genannt, ist, die Leistungen neu auszuschreiben. Später nahm das Klinikum diese Ausschreibung zurück und entschied, dass die Servicegesellschaft dieses Leistungsverzeichnis übernehmen und hierzu für die Zeit ab dem 01.07.2009 Personal akquirieren soll. Derzeit sind bei der Servicegesellschaft ungefähr 80 Mitarbeiter beschäftigt.

Die Beteiligte zu 4, zukünftig MVZ genannt, betreibt ein medizinisches Versorgungszentrum mit mehreren Betriebsstätten im Stadtgebiet und beschäftigt seit dem Jahr 2011 Mitarbeiter, derzeit 48. Dabei handelt es sich nur um pflegerisches Personal und Ärzte, bis auf eine Reinigungskraft, bei der es sich um eine schon bei dem MVZ angestellte Arzthelferin handelt, welche einem 30-Stunden-Vertrag als Arzthelferin besitzt und nebenher noch in der betroffenen gynäkologischen Praxis Reinigungsleistungen in einem geringen Umfang von ca. 2 Stunden pro Woche erbringt.

Zwischen dem Klinikum und der Servicegesellschaft besteht u. a. ein Dienstleistungsvertrag mit dem Datum 31.08.2017 (Bl. 383 ff d. A.). Nach der dortigen Präambel hat das Klinikum sich entschlossen, die Leistungen der Unterhalts- und Glasreinigungs- sowie des Wachdienstes und Teile der Hausmeisterdienste zur Servicegesellschaft zu verlagern und übernimmt nach § 1 des Dienstleistungsvertrages im Gegenzug das externe und interne Rechnungswesen der Servicegesellschaft, die Lohnbuchhaltung und die Personalbewirtschaftung hinsichtlich der Beschäftigten der Servicegesellschaft sowie weiterer Aufgaben.

Nach einem Handelsregisterauszug vom 03.11.2021 (Amtsgericht Stendal, HRB 7882) ist Geschäftsführerin der Servicegesellschaft Frau ... . Bei den Beteiligten wird zwischen den Bereichen Hausservice und dem Bereich Reinigung differenziert. Der Bereich Hausservice umfasst die sog. patientennahen Dienstleistungen wie Bettenaufbereitung, Reinigung der Nachtschränke der Patienten, Reinigung und Desinfektion der Oberflächen der Tische und Stühle, Reinigung und Aufbereitung der Stationsküche. Dem Bereich Reinigung, dessen gesamtes Personal ausschließlich mit der Servicegesellschaft in arbeitsvertraglichen Beziehungen steht, gehört die Reinigung der Nasszellen, die Fußbodenreinigung und die Müllentsorgung. Den Bereich Hausservice hat die Servicegesellschaft zum 01.01.2019 von dem Klinikum übernommen und hierüber mit dem Klinikum einen Personalgestellungsvertrag abgeschlossen, der das Datum 14.12.2018 trägt (Anlage BE 1, Bl. 365 ff d. A.). Das Klinikum stellt dabei ursprünglich 25 Mitarbeiter, derzeit 22...

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