Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der Kosten für die Beauftragung eines Terminsvertreters. Auslegung von Prozesserklärungen. Grundsatz der Vorteilsausgleichung im Kostenerstattungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Der beigeordnete Rechtsanwalt kann aus der Landeskasse die Erstattung der Kosten für die Beauftragung eines Terminsvertreters (§ 5 RVG) begrenzt auf die fiktiven Reisekosten einschließlich der Abwesenheitsgelder nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung verlangen, soweit diese bei Terminswahrnehmung durch ihn selbst angefallen und erstattungsfähig gewesen wären.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Maßgeblich für die Auslegung von Prozesserklärungen sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln.

2. Im Rahmen der Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist anerkannt, dass die Kosten eines Unterbevollmächtigten als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu erstatten sind, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten in vergleichbarer Höhe erspart wurden. Nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung ist hierzu eine entsprechende Vergleichsrechnung vorzunehmen.

 

Normenkette

RVG §§ 5, 45 Abs. 1, § 46 Abs. 1, § 55; RVG-VV Nr. 7005; GKG § 66 Abs. 2; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 121 Abs. 3, § 124; ArbGG § 11a Abs. 3; BGB § 133

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Entscheidung vom 31.07.2020; Aktenzeichen 5 Ca 2038/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 31. Juli 2020 - 5 Ca 2038/19 (PKH) - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 23. Juli 2021 unter ihrer Zurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert.

Auf die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers werden die ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf insgesamt 675,44 € festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Erstattung fiktiver Reisekosten und Abwesenheitsgelder aus der Staatskasse für die Beauftragung eines Terminsvertreters als sonstige Auslagen des Prozessbevollmächtigten des Klägers (fortan: Beschwerdeführer).

Der Kläger machte mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Halle Zahlungsansprüche mit einem Gesamtwert von 4.458,67 € geltend und begehrte hierfür mit der am 06. November 2019 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des in M... ansässigen Beschwerdeführers.

Für den Gütetermin vom 21. November 2019 erteilte der Beschwerdeführer einem bei dem Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt eine Terminsvollmacht im eigenen Namen, der eine Gebührenvereinbarung über 85,- € netto zugrunde lag. Entsprechend erfolgte auch die Terminswahrnehmung und deren Abrechnung durch den beauftragten Rechtsanwalt gegenüber dem Beschwerdeführer (Kostenrechnung vom 21. November 2019, Anlage 1 zum Antrag auf Festsetzung von PKH-Gebühren vom 25. November 2019, Bl. 29 PKH-Heft). Eine Bevollmächtigung des Terminsvertreters durch den Kläger oder in dessen Namen erfolgte ausdrücklich nicht.

Der Rechtsstreit endete mit rechtskräftig gewordenem Versäumnisurteil vom 21. November 2019. Das Arbeitsgericht Halle bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 06. Dezember 2019 rückwirkend zum 06. November 2019 einschränkungslos ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers (Bl. 24 PKH-Heft). Eine Beiordnung auch des Terminsvertreters wurde weder beantragt noch bewilligt.

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 25. November 2019 (Bl. 27 f. PKH-Heft) die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen bei dem Streitwert von 4.458,67 €:

1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV RVG

334,10 €

0,5 Terminsgebühr Nr. 3105 VV RVG

151,50 €

Post- und Telek.pauschale Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

sonstige Auslagen Nr. 7006 VV RVG ..

85,00 €

Terminsvertreter

Zwischensumme

590,60 €

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

112,21 €

Summe

702,81 €

Der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts Halle setzte mit Verfügung vom 18. Februar 2020 (Bl. 32 f. PKH-Heft), die am 06. April 2020 an den Beschwerdeführer abgesandt wurde, die gemäß § 55 RVG aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 574,29 € fest und wies sie zur Zahlung an. Die Terminsgebühr setzte er auf 128,50 € fest. Die sonstigen Auslagen setzte er vollständig ab, da diese Kosten von dem PKH-Bewilligungsbeschluss nicht erfasst seien.

Mit Schriftsatz vom 09. April 2020 (Bl. 45 f. PKH-Heft) forderte der Beschwerdeführer die Zahlung auch der Kosten für den Terminsvertreter unter Fristsetzung zum 13. April 2020. Zur Begründung führte er aus, dass er sich die Frage stelle, ob der Rechtspfleger seine Begründung zur Festsetzung der Terminvertreterkosten überhaupt gelesen hab...

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