Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmiergeldverbot. Verdachtskündigung. Fristlose Verdachtskündigung. Verstoß gegen Schmiergeldverbot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für eine Verdachtskündigung bedarf es eines dringenden Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung. Eine Verdachtskündigung als Reaktion auf die Störung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens kann unverhältnismäßig sein, wenn der Arbeitgeber nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, wobei insbesondere die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist.

2. Ein Verstoß gegen das sog. Schmiergeldverbot ist an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.

3. Der dringende Verdacht einer Schmiergeldannahme macht den Ausspruch einer Abmahnung vor der Kündigung entbehrlich. Der Arbeitnehmer kann in so einem Fall unter keinem Gesichtspunkt annehmen, der Arbeitgeber sehe eine solche nicht als vertragswidrig oder zumindest nicht als so schwerwiegend an, dass hierdurch der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet werde.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 10.11.2010; Aktenzeichen 7 Ca 385/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10.11.2010, Az.: 7 Ca 385/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit der gegenüber dem Kläger ausgesprochenen fristlosen, vorsorglich fristgerechten Kündigung vom 16.02.2010. Der verheiratete und einem Kind in Ausbildung zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 28.08.1978 bei der Beklagten zu einer Bruttomonatsarbeitsvergütung in Höhe von 4.400,00 EUR beschäftigt. Der Kläger war zuletzt Fachkalkulator in der Einheit WLD SC und dort im Team Arbeitswirtschaft/Gebäude und Holztechnik eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte es u. a., von Geschäftspartner der Beklagten im Bereich des Gerüstbaus am Standort L. erbrachte Leistungen zu überprüfen.

Aufgrund des Verdachts unberechtigter Mehrfachabrechnungen durch die Firma L. GmbH begann die Beklagten im November 2009 mit Überprüfungen, ob durch die genannte Firma Leistungen doppelt abgerechnet worden sind und welche Mitarbeiter hieran ggf. beteiligt waren. Am 15.01.2010 teilte der ehemalige Mitarbeiter R. der Firma L. der Beklagten mit, er habe für die Firma L., Herr S., Barzahlungen an den Kläger ausgehändigt. Der Prokurist der Firma L. habe ihm in der Zeit von Mai bis September 2009 monatlich ein Kuvert mit jeweils 2.500,00 EUR zur Übergabe an den Kläger übergeben. Am 21.01.2010 erfolgte aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des zuständigen Amtsgerichts unter anderem eine Durchsuchung des Arbeitsplatzes des Klägers, wobei ein Geldbetrag in Höhe von 700,00 EUR aufgefunden wurde. Der Kläger wurde durch den Ermittlungsdienst der Beklagten am 29.01. und 05.02.2010 zu den Vorwürfen angehört. Der Kläger bestritt hierbei die Vorwürfe. Nach der Anhörung am 29.01.2010 unterhielt sich der Kläger mit dem Prokuristen der Firma L. über die Befragung durch den Ermittlungsdienst, was er in seiner Anhörung am 05.02.2010 bestritt.

Die kündigungsberechtigte Einheit XY erhielt am 05.02.2010 den Bericht des Ermittlungsdienstes und hörte daraufhin den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 09.02.2010 an. Wegen des Inhalts der Betriebsratsanhörung wird auf Bl. 45 ff. d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 15.02.2010 teilte der Betriebsrat mit, dass er die Kündigungsabsicht zur Kenntnis nehme.

Mit Schreiben vom 16.02.2010, dem Kläger am 17.02.2010 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.09.2010.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalt sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10.11.2010, Az: 7 Ca 385/10 (Bl. 143 ff. d. A.). Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt:

Die Kündigung sei nach § 626 BGB jedenfalls als Verdachtskündigung gerechtfertigt. Gegen den Kläger habe der dringende Verdacht der Annahme von Schmiergeldern der Firma L. bestanden. Hierbei handele es sich um den Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung, da durch die Annahme von Schmiergeldern die Einstellung des Arbeitnehmers deutlich werde, unbedenklich eigene Vorteile bei der Erfüllung von Aufgaben wahrnehmen zu wollen, obwohl er sie allein im Interesse des Arbeitgebers durchzuführen habe. Durch ein derartiges Verhalten werde das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Redlichkeit zerstört.

Für die Beklagte habe sich der dringende Verdacht aufgrund der Einlassungen des Zeugen R. vor dem Ermittlu...

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