Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaub. Urlaubsabgeltung. Verfall. Urlaubsabgeltung bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einführung einer Verfallsfrist für Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, die mehrere Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig erkrankt waren, durch richterliche Rechtsfortbildung ist nicht möglich.

 

Normenkette

BUrlbG § 7 Abs. 3-4; EU-GR Charta Art. 31; EUV Art. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 27.10.2011; Aktenzeichen 5 Ca 405/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.11.2013; Aktenzeichen 9 AZR 646/12)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz -Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 27.10.2011, Az.: 5 Ca 405/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 02.01.1989 als Prokurist in der Funktion des Marktbereichsleiters zuletzt gegen 8.711 EUR brutto monatlich beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund gerichtlichen Vergleichs mit dem 31.3.2011.

Unter Einschluss eines Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen stand dem Kläger ein jährlicher Urlaubsanspruch von 36 Arbeitstagen zu. Der Kläger war auf Grund Erkrankung seit 2006 nicht mehr in der Lage, Urlaub zu nehmen. Es errechnete sich ein ursprünglicher Urlaubsanspruch für den genannten Zeitraum von insgesamt 189 Tagen. Die Beklagte nahm eine Abgeltung von 54 Tagen vor. Der Kläger begehrt die Abgeltung von restlichen 135 Tagen, was rechnerisch unstreitig einem Betrag von 55.999,35 EUR brutto entspricht.

Gemäß § 6 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien richtet sich der Urlaubsanspruch des Prokuristen nach den Bestimmungen des jeweils geltenden Manteltarifvertrags für die Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die genossenschaftlichen Zentralbanken. Gemäß § 6 Ziff. 3 des Arbeitsvertrages ist der Urlaub bis spätestens 31.03. des folgenden Kalenderjahres zu gewähren und in Anspruch zu nehmen. Bis zu diesem Termin nicht in Anspruch genommener Urlaub verfällt. Eine Abgeltung nicht in Anspruch genommenen Urlaubs findet nicht statt.

§ 15 des auf das Anstellungsverhältnis anzuwendenden Manteltarifvertrages für die Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Fassung vom 05.06.2008 (im Folgenden: Tarifvertrag) regelt den Erholungsurlaub wie folgt:

"§ 15

Erholungsurlaub

1. Der Erholungsurlaub wird für das laufende Kalenderjahr gewährt. Er beträgt - unabhängig von individuellen Arbeitszeitschwankungen - 30 Arbeitstage.

Als Arbeitstage gelten alle Werktage mit Ausnahme der Sonnabende.

2. Schwerbehinderte haben Anspruch auf einen Zusatzurlaub von sechs Arbeitstagen im Jahr.

3. Im Verlauf des Kalenderjahres eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer erhalten für jeden Beschäftigungsmonat, in dem sie mindestens 15 Kalendertage dem Betrieb angehört haben, 1/12 des vollen Jahresurlaubs, aufgerundet auf volle Arbeitstage.

4. Der Erholungsurlaub soll unter möglichster Berücksichtigung der Wünsche jedes einzelnen Arbeitnehmers, der Familienverhältnisse und der Schulferien erteilt werden.

Er soll in größere Abschnitte aufgeteilt werden, von denen einer mindestens drei Wochen umfasst.

5. Arbeitnehmern im ungekündigten Arbeitsverhältnis können im Dezember in begründeten Fällen bis zu fünf Urlaubstage im Vorgriff auf das Folgejahr gewährt werden.

6. Kann der Erholungsurlaub nicht mehr vor dem Ausscheiden gewährt werden, so ist er durch Zahlung eines entsprechenden Gehaltsteils (ein 1/21 des Monatsgehalts für jeden Arbeitstag) abzugelten.

7. Aus anderen Gründen darf der Erholungsurlaub nicht durch Zahlung abgegolten werden.

Während des Erholungsurlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so entfällt der Anspruch auf Gehaltszahlung für diese Urlaubstage. Bereits gezahlte Gehaltsbezüge sind zurück zu erstatten.

8. Das Fernbleiben infolge Krankheit darf nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet werden.

9.Günstigere gesetzliche Regelungen bleiben unberührt. "

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Sachvortrags erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.10.2011, At. 5 Ca 405/11 (Bl. 94 ff.d.A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 55.999,35 EUR brutto nebst gesetzlicher Verzugszinsen seit dem 1.4.2011 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt:

Ein über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehender Urlaubsanspruch sei nicht in Anwendung arbeits- oder tarifvertraglicher Regelungen verfallen. Weder der Arbeitsvertrag, noch der Tarifvertrag enthielten eine eigenständige, zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubsansprüchen unterscheidende Regelung. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten sei der Urlaubsabgeltungsanspruch auch nicht auf die dem Arbeitsvertragsende vorangegangenen 18 Monate beschränkt. Zwar könne eine der...

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