Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung in Kleinbetrieb bei unzureichenden Darlegungen des Arbeitnehmers zur Führung eines Gemeinschaftsbetriebes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Gemeinschaftsbetrieb wird nicht schon durch eine unternehmerische (wirtschaftliche) Zusammenarbeit begründet; es müssen vielmehr die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet, gezielt eingesetzt und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.

2. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken; hierzu bedarf es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden rechtlichen Leitungsvereinbarung.

3. Ist dem gekündigten Arbeitnehmer Handlungsvollmacht erteilt und ist er zum "Leiter Organisation und Personal der Unternehmensgruppe D." ernannt worden, besteht aufgrund dieser Befugnisse keine auf verschiedene Betriebe bezogene einheitliche Leitungsmacht, wenn der vom Arbeitnehmer dargelegte Aufgabenkreis gerade nicht die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten betrifft sondern Personalentscheidungen jeweils nur gemeinsam mit dem jeweiligen Geschäftsführer des betreffenden Betriebes getroffen werden konnten und er demzufolge eine auf mehrere Betriebe bezogene Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten nie ausgeübt hat; ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen besteht daher nicht.

 

Normenkette

KSchG § 23 Abs. 1; BetrVG § 1 Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 18.09.2013; Aktenzeichen 4 Ca 920/13)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts

    Koblenz vom 18.9.2013 - 4 Ca 920/13 - wie folgt teilweise abgeändert:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 06.03.2013 nicht zum 15.04.2013, sondern erst zum 30.09.2013 aufgelöst worden ist.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

  • III.

    Der Kläger hat 82 % und die Beklagte 18 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 75 % dem Kläger und zu 25 % der Beklagten auferlegt.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit dem 1998 zunächst als Marktleiter im Baumarkt der Beklagten beschäftigt. Ab dem 01.01.2005 war er sodann auf der Grundlage eines Dienstvertrages Geschäftsführer der Beklagten, wobei der vorherige Arbeitsvertrag einvernehmlich aufgehoben wurde. Zum 31.12.2012 legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer nieder und wurde sodann auf der Grundlage eines neuen Arbeitsvertrages ab dem 01.01.2013 wieder als Marktleiter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 15.11.2012 enthält u. a. folgende Bestimmung:

"Die vorangegangene Beschäftigungszeit ab dem 11.02.1998 wird in vollem Umfang angerechnet. Ebenso werden alle seit diesem Zeitpunkt erworbenen Rechte und Pflichten übernommen."

Bereits vor seiner Zeit als Geschäftsführer der Beklagten war der Kläger von der "Unternehmensgruppe D.", die mehrere Baumärkte betreibt und der die Beklagte angehört, zum Leiter Organisation und Personal der betreffenden Unternehmen ernannt worden; zugleich wurde ihm von dieser Unternehmensgruppe Handlungsvollmacht erteilt. Wegen aller diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Bl. 164 bis 167 d. A. Bezug genommen.

Die Anzahl der bei der Beklagten regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 06.03.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15.04.2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin.

Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 11.03.2013 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage. Der Kläger hat erstinstanzlich darüber hinaus die Beklagte auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses sowie auf Auszahlung des Wertes sog. "Treuegutscheine" in Anspruch genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18.09.2013 (Bl. 65 bis 69 d. A.).

Der Kläger hat beantragt:

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 06.03.2013 nicht aufgelöst wird.

2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht,

3. die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bei Obsiegen seines Kündigungsschutzantrags zu 1. bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Marktleiter vorläufig weiterzubeschäftigen,

4. die Beklagte wird verur...

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