Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Berufungsbegründung. Zugang einer Kündigungserklärung unter Abwesenden. Beweislast zum Zugang der Kündigungserklärung. Freie Beweiswürdigung durch das Gericht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Berufungsbegründung ist eine hinreichende Darlegung der Gründe erforderlich, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Sie muss sich mit den tatsächlichen und rechtlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen. Formelhafte Rügen oder pauschale Verweisungen auf früheres Vorbringen reichen nicht aus.

2. Eine Kündigungserklärung als verkörperte Willenserklärung ist zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Der Einwurf in den Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.

3. Der Arbeitgeber hat den vollen Beweis des Zugangs seiner Kündigung unter Abwesenden zu führen. Es gibt nämlich keinen Anscheinsbeweis dafür, dass z.B. ein gewöhnlicher Brief, der der Post zur Beförderung übergeben wurde, korrekt zugegangen ist. Dazu muss der Arbeitgeber im Prozess gem. § 138 Abs. 1 ZPO seine Erklärung über die tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abgeben, ggfs. unterstützt durch geeignete Beweismittel.

4. Dem Tatrichter ist es grundsätzlich erlaubt, allein aufgrund des Vortrags der Parteien und ohne Beweiserhebung festzustellen, was für wahr und was für unwahr zu erachten ist (§ 286 Abs. 1 ZPO). Im Falle einer Beweisaufnahme ist diese nicht allein der Bezugspunkt der richterlichen Würdigung, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung.

 

Normenkette

BGB § 130; ZPO §§ 138, 141, 286, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2; KSchG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 10.03.2021; Aktenzeichen 1 Ca 340/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.03.2021, Az. 1 Ca 340/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.

Der Kläger ist seit 01.09.2019 bei der Beklagten auf der Grundlage eines schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 01.09.2019, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 10 ff d. A. Bezug genommen wird, gegen ein monatliches Bruttogehalt von EUR 3.200,00 beschäftigt. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger arbeitete ab 01.09.2019 als Monteur für Innenausbau und Garten- und Landschaftsbau. Nach § 10 Nr. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages haben die Parteien eine Probezeit von sechs Monaten und eine Kündigungsfrist von zwei Wochen für eine ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit vereinbart.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.02.2020 zum 15.03.2020 gekündigt; hinsichtlich des weiteren Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 15 d. A. Bezug genommen.

Die Parteien setzen sich kontrovers darüber auseinander, ob das Kündigungsschreiben dem Kläger noch im Februar 2020 oder erst Anfang März 2020 zugegangen ist. Am Freitag, dem 28.02.2020, begaben sich zwei Mitarbeiter der Beklagten, die Herren St. und S., zu der Wohnadresse des Klägers. Der Kläger wohnte in einem Mehrfamilienhaus in A-Stadt. Herr St. selbst hat zuvor auch in diesem Haus gewohnt. Die Briefkästen der Bewohner befinden sich im Hausflur. Dort sind mehrere Briefkästen neben- und untereinander angebracht. Die Mitarbeiter der Beklagten legten das Kündigungsschreiben an diesem Tag um 16:42 Uhr in einen Briefkasten ein, der mit dem Schriftzug "A." gekennzeichnet war (s. Bl. 56, 57 d.A.). Mit der am 06.03.2020 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenen und der Beklagten am 13.03.2020 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Das Arbeitsgericht hat im erstinstanzlichen Rechtszug in der Kammerverhandlung vom 20.01.2021 gegen die ordnungsgemäß geladene und im Termin nicht erschienene Beklagte folgendes

Versäumnisurteil erlassen:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 28.02.2020 nicht beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Monteur für Innenausbau sowie Garten- und Landschaftsbau weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

4. Der Streitwert wird auf 12.800,00 EUR festgesetzt.

Das Versäumnisurteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 25.01.2021 zugestellt; diese hatten zuvor bereits am 21.01.2021 Einspruch dagegen eingelegt.

Der Kläger hat vorgetragen,

Kündig...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge