Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Wachleiters eines Jagdbombergeschwaders bei beharrlich verweigerter Vorlage ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verletzung der Pflicht zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliche Bescheinigungen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG kommt nach vorheriger Abmahnung als "an sich" zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Umstand nur dann in Betracht, wenn sich der Pflichtverstoß als besonders beharrlich und deswegen schwerwiegend darstellt, weil weder Atteste vorgelegt werden noch Rückmeldungen gegenüber der Arbeitgeberin erfolgen.

2. Die unverzügliche Anzeige- und Nachweispflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung für den Fall der Fortdauer einer Erkrankung entsprechend; sowohl bei Erst- als auch bei Folgeerkrankungen besteht arbeitgeberseitig wegen der Auswirkungen auf den Betriebsablauf ein berechtigtes und erhebliches Interesse daran, rechtzeitig die krankheitsbedingte Verhinderung und deren voraussichtliche Dauer mitgeteilt zu bekommen, um einen Ersatz für die ausfallenden Beschäftigten planen zu können.

3. Ist der Arbeitnehmer wiederholt und eindringlich aufgefordert worden, sein krankheitsbedingtes Fernbleiben durch ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachzuweisen und legt die Untätigkeit des Arbeitnehmers eine beharrliche, hartnäckige und weitgehende Uneinsichtigkeit in die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin nahe, liegt damit eine schwerwiegender und vorwerfbarer Verstoß auch gegen § 241 Abs. 2 BGB vor; dem steht der Formularaufdruck "krank mit Attest" in mehreren dem Arbeitnehmer noch zugesandten Gehaltsmitteilungen nicht entgegen.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; BPersVG § 79 Abs. 4; EFZG § 5 Abs. 1 S. 2; BPersVG § 79 Abs. 3; EFZG § 5 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 29.08.2013; Aktenzeichen 2 Ca 3710/11)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 29.08.2013, Az: 2 Ca 3710/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1965 geborene und geschiedene Kläger war bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt, ab dem 02.01.1985 als Soldat auf Zeit verpflichtet und sodann ab dem 01.03.1997 als Zivilbeschäftigter angestellt. Mit Schreiben vom 02.01.2010 sprach die Beklagte dem Kläger für eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren Dank und Anerkennung aus. Der Kläger war zuletzt als Wachleiter im Bereich eines Jagdbombergeschwaders mit einem Bruttomonatsentgelt von 2.456,99 EUR eingesetzt. In seiner personalführenden Dienststelle ist ein Personalrat gebildet.

Nachdem der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 20.10.2010 bis zum 30.11.2010 vorgelegt hatte, fehlten der Beklagten ab dem 01.12.2010 jegliche Nachweise über das Fortbestehen einer Arbeitsunfähigkeit. Der Kläger nahm auch in irgendeiner anderen Art und Weise nicht mit seiner personalführenden Dienststelle Kontakt auf. Mit Schreiben vom 20.04.2011 wurde er von ihr zu einem Personalgespräch über seine weitere dienstliche Verwendung mit Fristsetzung zur Äußerung bis zum 12.11.2011 angehalten (vgl. Bl. 100 d.A.). Der Kläger reagierte auf dieses Schreiben nicht. Mit weiterem Schreiben vom 28.04.2011, zugegangen mit Einschreiben-Rückschein vom 30.04.2011 (vgl. Bl. 102 d. A.) forderte ihn die Beklagte weiter auf, eine Bescheinigung über seine Arbeitsunfähigkeit ab dem 01.12.2010 vorzulegen (vgl. Bl. 101 d. A.). Auch darauf reagierte der Kläger nicht. Mit Schreiben vom 20.05.2011 forderte ihn die Beklagte nochmals auf, sich bei der Dienststelle bis zum 30.05.2011 zu melden (vgl. Bl. 103 d. A.). Auch dieses Schreiben blieb ohne Reaktion des Klägers. Mit Schreiben vom 06.06.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie nunmehr eine weitere dienstliche Verwendung ohne seine Mitsprache festlegen müsse (vgl. Bl. 104 d. A.). Auch darauf reagierte der Kläger nicht. Am 21.06.2011 wurde der Kläger nochmals aufgefordert, Nachweise beizubringen, dass er weiterhin krank sei, zumindest aber Kopien von Auszahlscheinen; vgl. Bl. 105 d. A. Dieses Schreiben wurde per Einschreiben mit Rückschein übermittelt und, da der Kläger unter seiner Anschrift nicht anzutreffen war, zur Abholung hinterlegt und sodann nach Ablauf der Wartefrist wieder an die Beklagte zurückgesandt. Der Kläger hat das Schreiben letztlich also nicht erhalten.

Mit Schreiben vom 05.08.2011 wiederholte die Beklagte ihre Aufforderung zur Nachweiserbringung. Das per Einschreiben-Rückschein am 11.08.2011 zugestellte Schreiben hat unter anderem folgenden Wortlaut:

"Betr. ...Nachweispflicht von krankheitsbedingte Abwesenheit Bezug: 1. Mein Schreiben vom 20.04.2011

2.Mein Schreiben vom 20.05.2011

3.Mein Schreiben vom 06.06.2011

4.Mein Schreiben vom 21.06.2011

Sehr geehrter Herr ..., ...

Wie mit Bezug 4. mitgeteilt liegt mir lediglich bis zum 30.11.2010 e...

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