Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnungserfordernis bei geringfügigem Verstoß gegen vertragliches Wettbewerbsverbot und kurzzeitiger Nutzung des Diensthandys zur Abwicklung eigener Verkaufstätigkeiten. Unwirksame außerordentliche Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist in Anbetracht einer unterschiedlichen Produktpalette mit jeweils anderer Zielrichtung weder vorgetragen noch ersichtlich, ob und inwieweit der Verkauf von Markenkleidung über den eBay-Account des Arbeitnehmers bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den Interessen der Arbeitgeberin als Betreiberin einer Event- und Werbeagentur, die über ihre Internetverkaufsplattform “T.„ Haushaltswaren im Zusammenhang mit dem Thema Kochen (auch Kochschürzen) und Merchandisingartikel vertreibt, aus Gründen des Wettbewerbes zuwiderläuft, und kann der Arbeitnehmer angesichts geringfügiger Überschneidungen mit vertretbaren Gründen annehmen, dass die Arbeitgeberin in seinem Verhalten noch kein erhebliches und damit den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten sieht, erscheint ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Wettbewerbsabreden nicht als derart schwerwiegend erscheint, dass eine Abmahnung als entbehrlich angesehen werden kann.

2. Auch wenn der Arbeitnehmer jeweils kurzzeitig das ihm überlassene Diensthandy oder den Internetanschluss der Arbeitgeberin während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken für eigene Verkaufstätigkeiten nutzt, muss er grundsätzlich nicht damit rechnen, dass die Arbeitgeberin ein darin liegendes vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansieht, dass damit der Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

 

Normenkette

HGB § 60; BGB §§ 626, 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1; HGB § 60 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 21.09.2015; Aktenzeichen 6 Ca 4617/14)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 21.09.2015 - 6 Ca 4617/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrags vom 12. November 1998 (Bl. 4, 5 d.A.) seit 15. November 1998 bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 2.300,00 EUR beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält in § 8 folgende Regelung:

"§ 8 Wettbewerbsverbot -- Geheimhaltungspflicht

Während der Dauer des Vertrages darf der Angestellte ohne Genehmigung der Firma weder ein Handelsgewerbe betreiben, noch in dem Handelszweig der Firma Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen.

Der Angestellte muss über alle betrieblichen Angelegenheiten, an deren Geheimhaltung die Firma ein berechtigtes Interesse hat, Schweigen bewahren, und zwar nicht nur betriebsfremden Personen, sondern auch Firmenangehörigen gegenüber. Dies gilt auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses."

Die Beklagte betreibt eine Werbe- und Eventagentur, in der nur der Kläger als Festangestellter beschäftigt war. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte insbesondere die Betreuung des von der Beklagten betriebenen Internet-Shops "T." als Web- und Systemadministrator, über den die Beklagte seit dem Jahr 2000 u.a. Haushaltswaren, Kochschürzen usw. (Thema Kochen) und sog. Merchandisingartikel verkaufte. Während einer längeren Erkrankung des Klägers, beginnend mit dem 05. November 2014, stellte die Beklagte fest, dass der Kläger über eBay unter der Bezeichnung "R." als gewerblicher Verkäufer Kleidungsstücke (insbes. Polo-Shirts der Marken Lacoste und Ralph Lauren) an Endkunden verkauft. Daraufhin ließ die Beklagte mit Hilfe eines Mittelsmanns am Vormittag des 28. November 2014 einen Testkauf durchführen. Das hierzu über eBay beim Kläger gekaufte Lacoste-Shirt zum Preis von 65,00 EUR wurde vom Kläger am gleichen Tag auf dem Parkplatz vor dem A-Stadt Hauptbahnhof an den Testkäufer ausgehändigt.

Mit Schreiben vom 28. November 2014 (Bl. 6, 7 d.A.), dem Kläger am 29. November 2014 zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt und führte im Kündigungsschreiben zur Begründung folgendes aus:

"(...) Aufgrund in den letzten Tagen stattgefundener Recherchen unseres Hauses sehen wir es als erwiesen an, dass Sie uns gegenüber Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten anhaltend erheblich dadurch verletzt haben, dass Sie neben Ihrer Tätigkeit als zuständiger System- und Webadministrator für unseren Internetshop und unsere Internetverkaufsplattform T. unter dem Namen einer von Ihnen betriebenen Firma R. mehr als einen eigenen Internetverkaufsshop u.a. auf den Plattformen von eBay und Amazon sowie eine im Aufbau befindliche Internetverkaufspräsenz (www.r.eu) unterhalten. Einmal abgesehen davon, dass Sie uns die Aufnahme einer solchen Nebentätigkeit zu keinem Zeitpunkt angezeigt haben, steht fest, dass Sie die für die Einrichtung, Angeb...

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