Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschleunigung. Betriebsrat. Betriebsänderung. Betriebsübergang. Einigungsstelle. Prüfungsmaßstab. Restmandat. Unzuständigkeit, offensichtliche. Widerspruch. keine offensichtlich unzuständige Einigungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle im Sinne von § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist im Rahmen des erzwingbaren Einigungsverfahrens nur dann gegeben, wenn unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt die Zuständigkeit der Einigungsstelle als möglich erscheint, weil sich die beizulegende Streitigkeit erkennbar nicht unter einen Mitbestimmungstatbestand fassen lässt.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 111 ff

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 03.06.2005; Aktenzeichen 3 BV 54/05)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Beschwerde des Arbeitgebers im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 3. Juni 2005 teilweise abgeändert und in seiner Ziffer 1 wie folgt neu gefasst:

  1. Als Vorsitzender der zu errichtenden Einigungsstelle zur Regelung eines Sozialplans für die dem Betriebsübergang auf die Fa. Servicecenter M. WELLCARE GmbH widersprechenden Arbeitnehmer wird der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht K., Herr M. J., bestellt.
  2. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten vorliegend um die Errichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin schloss mit dem antragstellenden Betriebsrat am 28.10.2004 Betriebsvereinbarungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan wegen einer vorzunehmenden Betriebsschließung zum 31.03.2005 ab. Zu dieser Betriebsschließung kam es nicht mehr, weil die Arbeitgeberin den Betrieb auf eine neu gegründende GmbH gemäß § 613 a BGB mit Wirkung vom 01.01.2005 übertragen hat. Mit Schreiben vom 15.12.2004 teilte sie allen 191 Arbeitnehmern mit, dass ihr Arbeitsverhältnis auf die Betriebserwerberin übergehe. Die Betriebserwerberin setzte die schon bisher ausgeübte betriebliche Tätigkeit (Betreiben eines Call-Centers) mit Beginn des Jahres 2005 bis zum 31.05.2005 fort, wobei zunächst die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer auf sie übergegangen waren. Um den 12.01.2005 herum widersprachen etwa 60 – 65 Arbeitnehmer dem Betriebsübergang mit der Begründung, die Betriebserwerberin wolle sich an die bestehenden Arbeitsbedingungen nicht halten. Darauf hin hat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 24.01.2005 die Arbeitsverhältnisse dieser widersprechenden Arbeitnehmerinnen betriebsbedingt gekündigt.

Die Betriebserwerberin hat Ende Mai 2005 Insolvenz angemeldet und jegliche betriebliche Tätigkeiten kurzfristig eingestellt.

Der ehemalige Betriebsrat der Arbeitgeberin, der Beteiligte zu 1), ließ mit Schreiben vom 03.05.2005 unter Berufung auf ein Restmandat dieses Betriebsrates die Einigungsstelle anrufen zum Abschluss eines Sozialplanes für die dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmer.

Nachdem die Arbeitgeberin sich diesem Ansinnen entgegen gestellt hatte, verlangt dieser Betriebsrat im vorliegenden Verfahren gemäß § 98 BetrVG eine Einigungsstelle zu installieren.

Der Betriebsrat hat vorgetragen:

Die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Die Arbeitgeberin habe von Anfang an eine Betriebsstilllegung ins Auge gefasst gehabt. Durch den Widerspruch sei eine Trennung zwischen Betriebsmitteln und Teile der widersprechenden Belegschaft eingetreten, was als eine Betriebsstilllegung oder zumindest eine Betriebseinschränkung zu qualifizieren sei. Der Gesamtplan der Arbeitgeberin sei von Anfang an auf eine Betriebsstilllegung ausgerichtet gewesen; die Übertragung auf die Betriebserwerberin habe nur die Umgehung der Sozialplanansprüche zum Ziele gehabt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. den Richter am Arbeitsgericht Offenbach am Main J. Z. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung eines Sozialplans wegen einer von der Antragsgegnerin vorgenommenen Betriebsänderung zu bestellen,

    hilfsweise,

    den Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung eines Sozialplans wegen einer von der Antragsgegnerin vorgenommenen Betriebsänderung zu bestellen;

  2. die Zahl der Beisitzer auf 3 je Betriebspartei festzulegen,

    hilfsweise,

    die Zahl der Beisitzer festzulegen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung gebe es für die vorliegende Fallkonstellation kein Restmandat des Betriebsrates, da die Voraussetzungen von § 21 b BetrVG nicht vorlägen. Die Einigungsstelle sei auch offensichtlich unzuständig, da durch die Übertragung der gesamten Betriebsorganisation auf die Betriebserwerberin keine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 ff BetrVG durch die Kündigung der dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmer vorliege. Im Übrigen gebe es bereits einen Sozialplan vom 28.10.2004, so dass nicht noch ein weiterer erstellt werden müsse. Ob dieser für die widersprechenden Arbeitnehmer anwendbar sei, sei eine reine Rechtsfrage, welche nicht von der Einigungsstelle, sondern in einem gerichtlichen Verfahren zu klären wäre.

Zumindest sei sie mit dem vorg...

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