Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

Die wahrheitswidrige Angabe im Zeiterfassungsbogen, ein Arbeitnehmer habe an bestimmten Tagen "keine Pause" gemacht, obwohl er an den besagten Tagen das Betriebsgelände für mindestens 30 Minuten zum Zweck der Mittagspause verlassen hat, ist an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Das gilt umso mehr, wenn der Vorwurf bestritten und über Monate nicht an der Aufklärung der Umstände mitgewirkt wird.

 

Normenkette

ArbGG § 83 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 103 Abs. 2; BGB § 626; ZPO §§ 427, 444, 529 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 626 Abs. 1; BetrVG § 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 15.05.2019; Aktenzeichen 7 BV 64/18)

 

Tenor

  1. Die Beschwerden des Beteiligten zu 2. und der Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Mai 2019 - 7 BV 64/18 - werden zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds.

Die Beteiligte zu 1. ist ein Unternehmen der Farb- und Kunststoffindustrie.

Der Beteiligte zu 2. ist der bei ihr im Betrieb A-Stadt gebildete Betriebsrat.

Die Beteiligte zu 3. (geboren 1972, verheiratet) ist Mitglied des Betriebsrats und bei der Beteiligten zu 1. seit dem 1. Dezember 1992 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 22. Juni 1993 (Bl. 14 ff. d.A) und der Ergänzungsvereinbarung vom 18. Februar 1999 (Bl. 16 d.A) als kaufmännische Mitarbeiterin beschäftigt. Hierbei wurde sie zu einem größeren Teil ihrer Vollzeitstelle als Sekretärin des Betriebsrats beschäftigt und im übrigen als Mitarbeiterin in der Zentrale / Empfang. Der Ehemann der Beteiligten zu 3. ist ebenfalls Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1. im selben Betrieb in A-Stadt.

In der Zentrale arbeitete die Beteiligte zu 3. montags bis mittwochs in Wechselschicht (Frühschicht: 7:00 Uhr - 12:00 Uhr, Spätschicht: 12:00 Uhr - 17:00 Uhr). Neben ihr waren dort die beiden Beschäftigten K. und B. tätig. Die Tätigkeit in der Zentrale umfasst den Empfang von Besuchern und Lieferanten sowie Einweisungen von LKW-Fahrern und Handwerkern (Sicherheitsbelehrung). Zudem wird der Postein- und -ausgang bearbeitet. Schließlich gehörte zur Tätigkeit der Beteiligten zu 3. zu einem wesentlichen Teil auch die Zeitwirtschaft, wobei die elektronisch gespeicherten Daten der Arbeitnehmer erfasst und bearbeitet werden. Hierunter fallen insbesondere Zeitkorrekturen aufgrund von falschem oder vergessenem Stempeln und Pausenbuchungen. Hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung werden so in der Zentrale etwa 120 Arbeitnehmer betreut. Auch ihre eigene Arbeitszeit erfasste die Beteiligte zu 3. auf diese Weise und buchte Korrekturen der Arbeitszeit nach entsprechender Genehmigung durch die Personalabteilung im Arbeitszeitsystem selbst ein (Bl. 100 d.A).

Montags bis mittwochs wechselte die Beteiligte zu 3. dann je nach Schichteinteilung vor oder nach ihrer Tätigkeit in der Zentrale zu ihrer Tätigkeit als Sekretärin des Betriebsrats in das Betriebsratsbüro. Donnerstags und freitags war sie stets ganztägig mit Sekretariatsarbeit im Betriebsratsbüro beschäftigt.

Im Betrieb der Beteiligten zu 1. gilt eine Gleitzeitregelung. Die Arbeitszeit wird elektronisch erfasst auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung 100/98 (Bl. 55 ff. d.A). Danach wird die Arbeitszeit in der Regel dadurch ermittelt, dass Arbeitsbeginn und Arbeitsende aufgezeichnet werden und vom elektronischen System sodann automatisch aus der ermittelten Zeitspanne 15 Minuten für eine Frühstückspause und weitere 30 Minuten für eine Mittagspause abgezogen werden (Bl. 162 d.A), wenn die Mitarbeiter für diese Pausen das Betriebsgelände nicht verlassen haben. Im übrigen heißt es in der Betriebsvereinbarung soweit hier von Bedeutung:

"V. Erfassung der Arbeitszeit

Die Mitarbeiter, die dem Geltungsbereich dieser Betriebsvereinbarung unterliegen, sind verpflichtet, beim Betreten und Verlassen des Werksgeländes das ihnen zugewiesene Zeiterfassungsgerät zu betätigen.

[...]

Arbeitsbeginn und Arbeitsende

Die Zeiterfassung und damit der Beginn der Arbeitszeit erfolgt direkt nach Betätigung des Gerätes, d. h. im Minutenintervall. [...]

Beginn und Ende der Mittagspause:

Beginn, Ende und Dauer der Pausen können variabel gestaltet werden. Wird das Werksgelände während der Mittagspause verlassen, muß eine Zeitbuchung vorgenommen werden. Dauert die Mittagspause nicht länger als 30 Minuten und wird das Werksgelände nicht verlassen, muß keine Zeiterfassung erfolgen.

Verlassen des Werksgeländes während der Kernarbeitszeit:

Vor jedem Verlassen des Werksgeländes während der Kernarbeitszeit ist unter Angaben des Grundes die vorherige Genehmigung des Vorgesetzten einzuholen, außerdem ist eine Zeitbuchung vorzunehmen.

[...]

XII. Zeitbeauf...

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