Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. ERA. Gegenstandswert. Mitbestimmung. Streitwert. Umgruppierung. Zustimmungsersetzung. Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung nach Einführung von ERA

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vom Arbeitsgericht begehrte Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer Ein- oder Umgruppierung i.S.v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG stellt einen nicht vermögensrechtlichen Streitgegenstand dar, für den sich der Wert der anwaltlichen Tätigkeit nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bemisst.

2. Da primär auf bestehende konkrete Regelungen für eine individuelle Bewertung auch in diesen Verfahren abzustellen ist, kann im Einzelfall ein Rückgriff auf § 42 Abs. 4 Satz 2 GKG genommen werden. Danach ist grundsätzlich der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages zur begehrten Vergütung maßgeblich, sofern nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

3. Von diesem Betrag ist sodann ein Abschlag von 50% vorzunehmen, zum einen angesichts der verminderten Rechtskraftwirkung im Beschlussverfahren, zum anderen, weil die individuelle Rechtsposition des einzugruppierenden Arbeitnehmers unberührt bleibt.

4. Eine (weitere) Deckelung auf anderthalb Bruttomonatsgehälter (vgl. dazu LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 15.10.2007 – 1 Ta 232/07 und v. 26.3.2008 – 1 Ta 35/08) erfolgt jedenfalls dann nicht, wenn es sich um die Eingruppierung im Rahmen eines langjährig bestehenden und praktizierten Arbeitsverhältnisses handelt, die auf der Einführung einer völlig neuen Vergütungsstruktur (ERA) beruht, weil dann der Charakter als wiederkehrende Leistung eindeutig im Vordergrund steht.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 4; GKG § 42 Abs. 3, 4 S. 2; RVG § 23 Abs. 3 S. 2, § 33 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Beschluss vom 30.05.2008; Aktenzeichen 2 BV 42/07)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Gegenstandswertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.05.2008 – 2 BV 42/07 – wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wird auf 12.738,42 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin zu ¾.

3. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Entscheidung nicht gegeben.

 

Tatbestand

I. Die Beschwerdeführerin begehrt die Festsetzung eines niedrigeren Gegenstandswertes im Zusammenhang mit einem Zustimmungsersetzungsverfahren bezüglich der Eingruppierung eines Arbeitnehmers.

Der Antragsgegner und Beteiligte zu 2) ist der bei der Antragstellerin und Beteiligten zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat). Zum 01.08.2007 führte die Arbeitgeberin das neu erstellte sogenannte Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie im Bereich Rheinland-Rheinhessen ein. In diesem Entgeltrahmenabkommen war u. a. eine völlig neuartige Vergütungsstruktur der Arbeitnehmer vorgesehen, die es in den einzelnen Betrieben umzusetzen galt. Dementsprechend war jeder Arbeitnehmer angesichts der von ihm auszuübenden Tätigkeit in eine der neu geschaffenen Entgeltgruppen des Entgeltrahmenabkommens einzugruppieren. Gegenstand des der Beschwerde zugrunde liegenden Beschlussverfahrens war die von der Arbeitgeberin vorgenommene Eingruppierung des Mitarbeiters K. S. in die Entgeltgruppe E9, welcher der Betriebsrat nicht zustimmte, da er bei diesem Arbeitnehmer eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E11 für angezeigt hielt.

In dem von ihr eingeleiteten Beschlussverfahren beantragte die Arbeitgeberin sinngemäß die Ersetzung der versagten Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung des benannten Arbeitnehmers in die Entgeltgruppe E9, hilfsweise Feststellung der Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat. Das Verfahren endete durch Beschluss (§ 84 ArbGG) des Arbeitsgerichts vom 16.04.2008.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht letztlich mit Beschluss vom 30.05.2008 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 15.286,11 EUR festgesetzt. Dabei hat es das 36-fache der Vergütungsdifferenz zwischen den Entgeltgruppen E9 und E11, welche für den Kläger unter Zugrundelegung einer 39-Stunden-Woche monatlich 707,69 EUR beträgt, veranschlagt und hiervon sodann einen Abschlag in Höhe von 40 % vorgenommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 16.06.2008 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den Gegenstandswert auf 4.000,00 EUR herabzusetzen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an, es handele sich vorliegend um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit, weswegen der in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG genannte Hilfswert in Höhe von 4.000,00 EUR zu veranschlagen sei. Mit Schriftsatz vom 08.07.2008 hat die Beschwerdeführerin hilfsweise sinngemäß beantragt, jedenfalls einen niedrigeren Gegenstandswert als das Arbeitsgericht festzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeh...

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