Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Tätigkeitsaufnahme von Beschäftigten einer Fremdfirma. Unbegründeter Antrag des Betriebsrats auf Aufhebung personeller Maßnahmen bei fehlender Eingliederung der Fremdbeschäftigten im Rahmen ihrer Tätigkeit im Empfangsbereich

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat die Arbeitgeberin in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen; für die Mitbestimmung bei Einstellungen nach § 99 Abs. 1 BetrVG kommt es auf die Eingliederung der Beschäftigten und nicht auf die Natur des Rechtsverhältnisses an, in dem die Personen zur Betriebsinhaberin stehen.

2. Eine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setzt nicht notwendig die Begründung eines Arbeitsverhältnisses voraus; das Rechtsverhältnis zur Betriebsinhaberin kann auch ein Dienst- oder Werkvertrag sein oder gänzlich fehlen (wie § 14 Abs. 3 AÜG für leihweise Beschäftigte zeigt).

3. Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die die Arbeitgeberin organisiert; die Beschäftigten müssen derart in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass die Arbeitgeberin das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft; die Betriebsinhaberin muss diese Stellung als Arbeitgeberin wenigstens im Sinn einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung teilweise ausüben.

4. Die Frage der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation hängt von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.

5. Der bloße Einsatz von Beschäftigten einer anderen Firma auf dem Betriebsgelände führt auch dann noch nicht zu ihrer Eingliederung und damit zu einer Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wenn die von ihnen zu erbringende Dienst- oder Werkleistung hinsichtlich Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen Arbeitsprozess eingeplant ist; auch darauf, inwieweit äußere Umstände eine Zusammenarbeit mit den Beschäftigten des Betriebes notwendig machen, kommt es ebenso wenig an wie auf eine enge räumliche Zusammenarbeit im Betrieb oder die Unentbehrlichkeit der von der Drittfirma erbrachten Hilfsfunktion für den Betriebsablauf sowie allein auf den Umstand, dass die Tätigkeit vor der Outsourcing-Maßnahme von Beschäftigten der Arbeitgeberin verrichtet wurde.

6. Eine Eingliederung wird auch nicht dadurch begründet, dass zu Beginn der Tätigkeitsaufnahme eine Einarbeitung des Geschäftsführers und der Teamleiterin durch fachliche Weisungen des kaufmännischen Leiters der Arbeitgeberin stattfindet; durch das Anlernen werden nicht die Beschäftigten der Fremdfirma für den Betrieb der Arbeitgeberin tätig sondern umgekehrt die Beschäftigten der Arbeitnehmerin für die Fremdfirma.

7. Die betriebsverfassungsrechtlich bedeutsame Stellung als Arbeitgeberin kommt der Drittfirma zu, wenn sie allein entscheidet, wie viele Beschäftigte sie zur Bewältigung der bei der Arbeitgeberin zu verrichtenden Tätigkeiten zum Einsatz bringt und um wen es sich dabei handelt.

8. Auch wenn Telefonvermittlung, Empfangstätigkeit und Bewirtungstätigkeiten zweifellos kommunikative und organisatorische Talente erfordern, handelt es sich in erster Linie (wie die Postabwicklung und das EDV-mäßige Erfassen von Dokumenten) ungeachtet der Betriebsgröße der Arbeitgeberin nicht um Verrichtungen, für die eine längerfristige Ausbildung, umfangreiche Vorkenntnisse oder tägliche Weisungen erforderlich sind.

 

Normenkette

ArbGG § 89 Abs. 2 S. 2; BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1; BetrVG § 101 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 16.10.2014; Aktenzeichen 5 BV 22/13)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 16. Oktober 2014 - Az: 5 BV 22/13 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Tätigkeitsaufnahme durch Mitarbeiter einer Fremdfirma.

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin unterhält einen Betrieb zur Herstellung von Möbeln, in dem ca. 650 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Antragsteller ist der im Betrieb gewählte Betriebsrat.

Im Betrieb der Arbeitgeberin besteht ein Empfangsbereich, vergleichbar einer Hotelrezeption, in dem Besucher empfangen, ihnen ein Sitzplatz im Wartebereich angeboten und auf Wunsch ein Getränkt gereicht wird, während der Besuchte über die Ankunft informiert wird. Darüber hinaus werden Telefonate angenommen und an den zuständigen Mitarbeiter im Betrieb weitergeleitet und das Konferenzmanagement durchgeführt, dh. es werden auf Antrag entsprechende Besprechungszimmer reserviert und diese auf konkrete Anforderung mit Getränken, Speisen oder Keksen ausgestattet. Dem Empfangsbereich ist eine Poststelle angegliedert, in der eingehende Pos...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge