Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeitnehmers auf Erbringungund Vergütung der Arbeitsleistung in der Insolvenz des Unternehmens nacherfolgter Freistellungserklärung. Zulässigkeit eines Feststellungsantragseines Arbeitnehmers hinsichtlich der Wirksamkeit einer i.R.e. Insolvenzerfolgten Freistellung

 

Normenkette

InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 174 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 22.06.2010; Aktenzeichen 6 Ca809/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 22.06.2010, Aktenzeichen: 6 Ca 809/10,wird auf Kosten der Berufungsführerinzurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Freistellung der Klägerin von der Erbringung der Arbeitsleistung in der Insolvenz, sich hieraus ergebende Vergütungspflichten und über Schadensersatz sowie hilfsweise über die Feststellung einer Forderung als Masseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Die Klägerin war seit 25 Jahren bei der Firma Q. GmbH als Sachbearbeiterin Ablaufsteuerung Fotografie/Prepress beschäftigt.

Die Firma Q. GmbH fiel in Insolvenz. Mit Beschluss vom 01.09.2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet; der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Q. GmbH als Schuldnerin.

Mit Schreiben vom 29.10.2009 zeigte der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit beim Insolvenzgericht an. Vor Eintritt der Masseunzulänglichkeit hatte der Beklagte das Arbeitsverhältnis bereits mit Schreiben vom 25.09.2009 zum 31.12.2009 gekündigt. Die Klägerin hat gegen diese Kündigung keine Kündigungsschutzklage erhoben.

Mit Schreiben vom 28.10.2009 wurde die Klägerin von der Pflicht zur Arbeitsleistung ab 01.11.2009 unwiderruflich freigestellt unter Verrechnung von bestehenden und noch entstehenden Urlaubsansprüchen sowie anderweitigen Ansprüchen auf Freizeitausgleich. Das Freistellungsschreiben war unterzeichnet mit „i.V.” und unterzeichnet von Frau J. K., Sachbearbeiterin in der Personalabteilung der Schuldnerin. Mit Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 04.01.2009 wurde dieser Freistellung widersprochen, die Freistellungserklärung wurde mangels Vollmachtsvorlage nach § 174 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgewiesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Freistellungserklärung sei unwirksam infolge Zurückweisung nach§ 174 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie wegen Verstoßes nach § 315 BGB bei der Auswahl der freizustellenden Mitarbeiter. Bei ihren Vergütungsansprüchen für die Zeit vom 01.11. bis 31.12.2009 handele es sich um eine Neumasseverbindlichkeit, sie habe deshalb einen Zahlungsanspruch gegen den Beklagten.

Der Beklagte macht geltend, der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich des Feststellungsantrages zur Unwirksamkeit der Freistellung und hinsichtlich der Schadensersatzpflicht des Beklagten. Bei der verfolgten Forderung handle es sich um eine Altmasseverbindlichkeit. Die Freistellung sei wirksam; § 174 Abs. 1 Satz 1 BGB finde auf Freistellungserklärungen keine Anwendung. Die Unterzeichnende, Frau J. K., sei zur Freistellung berechtigt gewesen; davon sei die Klägerin im Vorfeld in ausreichender Weise in Kenntnis gesetzt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Feststellung, dass die Freistellung mit Schreiben vom 28.10.2009 ab 31.10.2009 ohne Entgeltzahlung unwirksam ist, als unzulässig abgewiesen. Im Übrigen hat es die Anträge der Klägerin auf Entgeltzahlung sowie auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin Schäden zu ersetzen sowie auf Feststellung, dass die Entgeltforderung für die Monate November 2009 bis Dezember 2009 als Masseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO anzusehen ist, als unbegründet abgewiesen. Der Feststellungsklage hinsichtlich der Unwirksamkeit der erfolgten Freistellung fehle das Feststellungsinteresse. Ein Zahlungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu, bei der Entgeltforderung handele es sich nicht um eine Neumasseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Anhaltspunkte für das Bestehen eines Schadensersatzanspruches der Klägerin nach§§ 60, 61 InsO lägen nicht vor. Auf den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils wird, auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens im Einzelnen, Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer dagegen gerichteten Berufung lässt die Klägerin vorbringen, sie habe ein Feststellungsinteresse an der Unwirksamkeit der Freistellung. Im Falle einer unwirksamen Freistellung hätte sie einen Entgeltanspruch. Für den Zeitraum ihrer Freistellung habe sie einen Vergütungsanspruch. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn, wie vorliegend, es sich um eine unwirksame Freistellung handele. Der Insolvenzverwalter müsse sich so behandeln lassen, als ob er die Arbeitskraft der Klägerin nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit weiter in Anspruch genommen habe. Die vorgenommene Freistellung sei unwirksam. Der Freistellung sei widersprochen worden, die Freistellungserklärung sei mangels Vollmachtsvorlage gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgewiesen worden....

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