Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlängerte Entgeltfortzahlung bei Kündigung im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers für den Kündigungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

Orientierunssatz:

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, obliegt es dem Arbeitgeber nachzuweisen, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht Anlass der Kündigung gewesen ist, um den verlängerten Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 EFZG zu vermeiden.

 

Normenkette

SGB X § 115; EFZG §§ 8, 8 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 13.02.2019; Aktenzeichen 2 Ca 3819/18)

 

Tenor

I. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Nürnberg vom 13.02.2019 mit dem Aktenzeichen 2 Ca 3819/18 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin 1.570,00 € (in Worten: Eintausendfünfhundertsiebzig Euro) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2018 zu zahlen.

III. Die Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen übergegangenen Entgeltfortzahlungsanspruch.

Die bei der Klägerin gegen Krankheit versicherte Arbeitnehmerin B... war bei der Beklagten seit dem 08.02.2018 beschäftigt. Ab dem 12.02.2018 war diese Arbeitnehmerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Diese Arbeitsunfähigkeit teilte Frau B... der Beklagten telefonisch am 12.02.2018 mit. Die Versicherte B... hat der Klägerin gegenüber erklärt, dass ihr durch den Vorgesetzten G... bei Meldung der Arbeitsunfähigkeit bereits eine erkrankungsbedingte Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses avisiert worden sei. Herr G... habe insoweit geäußert, es tue ihm leid, wenn Frau B... jetzt erkrankt sei, sie sei aber nun einmal in der Einarbeitung. Wenn sie jetzt zu Hause bleibe müsse man das Beschäftigungsverhältnis gegebenenfalls beenden. Obwohl Frau B... zunächst bis einschließlich 14.02.2018 arbeitsunfähig krankgeschrieben war, nahm sie ihre Tätigkeit trotz der Erkrankung am 13.02.2018 und 14.02.2018 wieder auf und besuchte in dieser Zeit eine Schulungsmaßnahme der Beklagten. Wegen der Erkrankung war Frau B... jedoch ab dem 15.02.2018 nicht mehr in der Lage, weiter an dieser Schulungsmaßnahme teilzunehmen. Am 23.02.2018 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin zum 09.03.2018. Zuvor hatte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 15.02.2018 zu der beabsichtigten Kündigungsmaßnahme angehört. Die Klagepartei gewährte der versicherten Arbeitnehmerin ab 10.03.2018 bis 18.04.2018 Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.570,00 €. Mit Schreiben vom 25.04.2018 forderte die Klägerin die Beklagte unter Bezugnahme auf § 115 SGB X auf, an sie übergegangene Fortzahlungsansprüche in Höhe von 1.570,00 € zu zahlen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 27.04.2018 die verlangte Zahlung ab. Mit Schreiben der Klägerin vom 24.05.2018 wurde nochmals unter Fristsetzung die Beklagte zur Zahlung aufgefordert. Nach abgelaufener Frist hat die Klägerin mit Antrag vom 02.07.2018 den Erlass eines Mahnbescheides gegen die Beklagte beantragt. Dieser Mahnbescheid wurde am 11.07.2018 erlassen und der Beklagten am 13.07.2018 zugestellt. Mit Schreiben vom 16.07.2018 legte die Beklagte gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein. Gegenüber dem Arbeitsgericht Nürnberg erfolgte mit Schriftsatz vom 22.08.2018 die Anspruchsbegründung durch die Klagepartei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte habe aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin gekündigt. Die Beklagte habe sowohl mit Schreiben vom 27.04.2018 als auch mit Schreiben vom 29.05.2018 gegenüber der Forderungsanmeldung der Klägerin jeweils vorgetragen, die Kündigung sei erfolgt, da die Versicherte B... nicht in der Lage gewesen sei an einer Schulungsmaßnahme teilzunehmen und den verpassten Inhalt der Schulung aufgrund der Abwesenheit nicht mehr aufholen hätte können. Aus diesem Vortrag der Beklagten ergäbe sich zwanglos das Vorliegen einer Anlasskündigung. Ausreichend sei insoweit, dass der zur Kündigung führende Geschehnisablauf zwar durch die Arbeitsunfähigkeit in Gang gesetzt werde, aber erst durch das Hinzutreten sonstiger Umstände der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers herbeigeführt werde. Ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit wären die Schulungsinhalte nicht verpasst worden und somit wäre auch keinesfalls ohne den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zum in Rede stehenden Zeitpunkt die Kündigung erklärt worden.

Die Klagepartei beantragte erstinstanzlich:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.570,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es sei nicht aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehm...

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