Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung. Forderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch die Schulung über Gesetzesvorhaben kann erforderlich sein, wenn das alsbaldige Inkrafttreten der geplanten Regelung zuverlässig abzusehen ist.

2. Diese Voraussetzungen waren im Februar 1985 bei einer Schulung über das seinerzeit geplante Beschäftigungsförderungsgesetz und das Arbeitszeitgesetz nicht gegeben.

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 18.09.1985)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.03.1988; Aktenzeichen 7 AZR 557/87)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 18.9.1985 – 7 Ca 4142/85 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Bei der Beklagten besteht ein aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat. Herr … gehört seit 06.04.1984 als nicht freigestelltes Mitglied diesem Betriebsrat an. Unter dem 11.01.1985 wandte sich die Verwaltungsstelle … der Klägerin an die Betriebsratsvorsitzenden der Verwaltungsstelle … mit folgendem Schreiben:

„Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

zu einer weiteren Betriebsrätetagesschulung möchten wir Euch herzlich einladen.

Als Thema ist vorgesehen: AKTUELLE ÄNDERUNGEN IM ARBEITSRECHT

  1. Beschäftigtenförderungsgesetz
  2. Arbeitszeitgesetz

Die Schulung findet statt:

am Donnerstag, den 7. Februar 1985 ab 8.30 Uhr in Nürnberg DGB-Haus, Zimmer 101

In dieser Schulung werden Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit des Betriebsrates erforderlich sind. Die Tagesschulung wird dementsprechend gemäß § 37/6 BetrVG durchgeführt.

Wir weisen darauf hin, daß der Betriebsrat die Schulungsteilnahme rechtzeitig beschliessen und dem Arbeitgeber mitteilen muß. Entsprechend § 37.6 BetrVG sind alle Schulungskosten (einschl. Fahrt und Verpflegung) vom Arbeitgeber zu übernehmen.

Wir bitten Euch, die Teilnahme bis zum 1. Februar 1985 der VST zu melden.

Wir hoffen auf rege Beteiligung und verbleiben

mit freundlichen Grüssen”

Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat beschloß sechs seiner neun Mitglieder zur Teilnahme an dieser Veranstaltung zu entsenden. Trotz Hinweis der Beklagten, zwei bis drei Betriebsratsmitglieder würden genügen, nahmen schließlich fünf Betriebsratsmitglieder an dieser Veranstaltung teil. Gegenstand dieser Schulung waren die Gesetzentwürfe über ein Beschäftigungsförderungsgesetz und ein Arbeitszeitgesetz. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aktennotiz des Geschäftsführers der Verwaltungsstelle … (in Kopie Bl. 43 ff d.A.) Bezug genommen.

Bei der Lohnabrechnung Februar zahlte die Beklagte dem Kläger den Lohn, den er während der Zeit der Teilnahme an der Schulung in Höhe von DM 120,40 netto verdient hätte, nicht aus. Die Klägerin zahlte den entsprechenden Betrag an Herrn …, Unter Bezugnahme auf eine Abtretungserklärung vom 15.03.1985 nimmt die Klägerin die Beklagte insoweit in Anspruch.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.09.1985 die Klage abgewiesen. Gegen dieses der Klägerin am 23.10.1985 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 05.11.1985 beim Landesarbeitsgericht eingelegten Berufung.

Sie trägt vor,

die auf der Schulung behandelten Themen würden zum notwendigen Grundwissen eines Betriebsratsmitglieds gehören. Auch soweit die Schulung Kenntnisse über das kurz vor Inkrafttreten stehende Beschäftigungsförderungsgesetz vermittelt habe, sei die Schulungsteilnahme als erforderlich anzusehen. Das Beschäftigungsförderungsgesetz regle Rechtsmaterien, die für die tägliche Arbeit eines Betriebsratsmitglieds von besonderer Bedeutung seien.

Der Kläger habe sich nur an den rechtskräftigen Beschluß des Betriebsrats gehalten und weder vorsätzlich noch fahrlässig die Arbeit verweigert. Bezüglich des Wissensstandes müßten sämtliche Betriebsratsmitglieder den gleichen haben. Bei gewissenhafter Überlegung und bei ruhiger und vernünftiger Würdigung aller Umstände habe das Betriebsratsmitglied die Teilnahme als erforderlich ansehen können.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:

  1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 18.09.1985 – 7 Ca 4142/85 – wird abgeändert.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 120,40 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 15.03.1985 zu bezahlen.
  3. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Die Beklagte stellt folgende Anträge:

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.10.1985 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Sie trägt vor,

Die Klägerin trage nicht vor, welcher Rechtsnatur der Anspruch des Herrn … gewesen sein solle und wofür die Klägerin Auslagen gemacht haben will, die die Beklagte erstatten solle. Die behandelten Themen stünden mit dem Arbeitsrecht überhaupt nicht in Zusammenhang. Auch könne eine Schulung über gesetzgeberische Zukunftsprojekte keinesfalls als notwendig angesehen werden. Im Januar 1985 sei nicht absehbar gewesen, daß das Beschäftigungsförderungsgesetz überhaupt in Kraft trete. Bezogen auf den Zeitpunkt der Notwendigkeit der Beurteilung könne eine Erforderlichkeit der Teilnahme ...

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